• Politik
  • Die Linke und die Coronakrise

Linke-Parteitag an vielen Orten

Parteivorstand entscheidet sich für Präsenzveranstaltung zur Wahl der Führung, aber dezentral

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

»Stellen Sie es sich vor wie den Eurovision Song Contest«, sagt Jörg Schindler am Samstagabend. Und versucht sogleich, keine falschen Bilder aufkommen zu lassen. Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei wäre wohl der Letzte, der jetzt den Eindruck mangelnder Ernsthaftigkeit erzeugen wollte. Der Vorstand hat ihm die Vorbereitung übertragen, er ist am Ende dafür verantwortlich, dass der Parteitag eine nach dem Parteiengesetz wasserdichte Entscheidung trifft – die Wahl des neuen Parteivorstands.

Vor knapp zwei Wochen war der bereits vom Juni auf Ende Oktober verschobene Parteitag wegen der neuen Pandemiesituation erneut abgesagt und auf zunächst unbestimmte Zeit vertagt worden. Am 27. und 28. Februar 2021 soll er nun zusammentreten, »deutschlandweit an vielen Orten gleichzeitig«. Unter den am Sonnabend diskutierten Möglichkeiten, die vom üblichen Präsenzparteitag bis zu einem Online-Parteitag mit Briefwahl der neuen Führung reichten, entschied sich der Parteivorstand damit mehrheitlich für einen dezentralen Präsenzparteitag. Die Entscheidung fiel mit 24 Stimmen der Vorstandsmitglieder; 13 stimmten für einen anderen Vorschlag – jenen Parteitag für die Wahl zu nutzen, der zur Verabschiedung des Wahlprogramms zur Bundestagswahl im Juni bereits geplant ist. Doch die dann verbleibenden drei Monate bis zur Bundestagswahl erschienen den meisten wohl als zu kurz.

Schindler macht kein Hehl daraus, dass letztlich allen Vorstandsmitgliedern ein zentraler Präsenzparteitag am liebsten wäre. Es sei ihnen nicht leichtgefallen, sich anders zu entscheiden; der Wille zur Debatte von Angesicht zu Angesicht sei in der Linken stark ausgeprägt. Doch zu ungewiss ist die weitere Entwicklung der Coronapandemie, zu unkalkulierbar sind die Folgen. Wenigstens sind direkte Beratungen auf der nun geplanten Veranstaltung möglich – online.

Bei der Wahl des Vorstands stellen sich die Kandidatinnen und Kandidaten jeweils online vor, auch ihre Befragung ist auf diesem Weg möglich. Und auf den jeweiligen dezentralen Treffen wird auch normal, also analog gewählt. Die Ergebnisse werden dann der Zentrale mitgeteilt und dort zusammengezählt – wie halt auf dem Eurovision Song Contest. Natürlich unter strenger Beachtung der Regeln einer geheimen und gleichen Wahl, unter Beachtung der Anonymität der Wählenden, wie Schindler betont. Es handele sich um Neuland und eine Herausforderung, dessen sei er sich durchaus bewusst.

Die Alternative wäre eine weitere Verschiebung gewesen. Am Ende habe jedoch die Überzeugung gesiegt, dass die Demokratie nicht einfrieren dürfe, wie Schindler formuliert. »Es braucht politische Entscheidungen, es braucht die Linke, und es braucht Alternativen zur Politik der Bundesregierung.« Über die weiteren Details des Parteitages will der Vorstand auf seiner nächsten Beratung im Dezember entscheiden. Dann soll auch eine Variante beschlossen werden, »wie der Parteitag und die Wahlen im Fall eines strengeren Lockdowns, der selbst eine dezentrale Präsenz nicht mehr ermöglicht, durchgeführt werden können«. So heißt es im Beschluss vom Samstag.

An wie viele parallele Versammlungen gedacht ist, lässt Schindler offen. Wenn man Landesverbände zusammen tagen lasse, etwa den kleineren in Bremen mit dem von Niedersachsen, könne man die Zahl eventuell begrenzen. Man wolle die Zahl der Teilnehmer nicht über 100 steigen lassen, um alle Hygiene- und Infektionsschutzauflagen zu gewährleisten. Aber mit 15 Veranstaltungen rechnet der Bundesgeschäftsführer, weil ein zentrales Treffen mit Tagungsleitung, Wahlkommission und den weiteren notwendigen Gremien als Zentrale arbeiten muss.

Die Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger hatten angekündigt, nach acht Jahren Amtszeit nicht wieder anzutreten. Mit Janine Wissler, Fraktionsvorsitzende in Hessen, und ihrer Amtskollegin in Thüringen, Susanne Hennig-Wellsow, stehen aussichtsreiche Kandidatinnen zur Nachfolge bereit. Das Parteiengesetz verpflichtet die Parteien alle zwei Jahre zur Neuwahl ihrer Führungsgremien. Unter dem Eindruck der Coronapandemie hatte der Bundestag jedoch das Parteiengesetz so modifiziert, dass die gewählten Parteigremien ihre Amtsgeschäfte regulär weiterführen können. Jedoch stehen die Parteien 2021 vor sechs Landtagswahlen sowie der Bundestagswahl im Herbst. Die Linke sucht mit der Wahl auch klare Verhältnisse für die anstehenden Wahlkämpfe.

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