Deutschland will bei Impfstoffmenge eventuell »bilateral nachverhandeln«

Der Newsblog zur Coronakrise - Mittwoch, 11. November 2020: +++ Bericht: 300.000 Schüler in Quarantäne +++ 500 Demonstranten in Schwerin gegen Corona-Beschränkungen +++ Bundeswahlleiter rechnet mit mehr Briefwählern +++

  • Lesedauer: 5 Min.

Berlin. Die Bundesregierung will notfalls unabhängig von der EU über weitere Lieferungen des Impfstoffes der Unternehmen Pfizer und Biontech verhandeln. Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums sagte am Mittwoch in Berlin, dass Deutschland bei der EU gemeldet habe, bis zu 100 Millionen Dosen des Impfstoffes abzunehmen. Falls so viel nicht möglich sei, wolle die Bundesregierung mit den Herstellern »nochmal bilateral nachverhandeln«.

Die EU-Kommission schließt derzeit im Auftrag der Mitgliedstaaten zentral Verträge mit Herstellern möglicher Impfstoffe. Dies soll günstigere Konditionen und eine schnellere Belieferung sicherstellen. Mit Pfizer und Biontech wurde die Lieferung von 200 Millionen Dosen sowie eine Option auf weitere 100 Millionen Dosen vereinbart.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte am Dienstag gesagt, dass Deutschland von dem weit fortgeschrittenen Impfstoff von Pfizer-Biontech »bis zu 100 Millionen Dosen« erhalten werde. Nach dem in der EU vereinbarten Verteilungsschlüssel, der auf dem Anteil an der EU-Bevölkerung beruht, wären aber einschließlich der Option bestenfalls knapp 56 Millionen Dosen möglich.

Es habe lange nicht so ausgesehen, dass alle EU-Mitglieder ihren Anteil an der Gesamtzahl der Impfdosen einfordern würden, sagte der Sprecher des Gesundheitsministerium dazu am Mittwoch. Dies könne sich aber ändern »aufgrund der jüngsten Meldungen«. In diesem Fall werde Deutschland, »um diese 100 Millionen zu erreichen«, nochmals separat Gespräche mit den Herstellern führen.

Ein Sprecher der EU-Kommission hatte am Dienstag gesagt, die Mitgliedstaaten hätten zugesagt, »keine Parallelverhandlungen« mit Impfstoffherstellern zu führen, um die Bemühungen auf europäischer Ebene nicht zu unterlaufen. »Dieses Vorgehen wurde durch die EU-Gesundheitsminister unterstützt.«

RKI meldet rund 18.000 Neuinfektionen

In Deutschland haben die Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut (RKI) 18.487 neue Corona-Infektionen binnen 24 Stunden gemeldet. Das sind 3155 Fälle mehr als am Dienstag, wie aus den Angaben des RKI vom Mittwochmorgen hervorgeht. Im Vergleich zum Mittwoch vergangener Woche ist der Wert etwas höher. Zu dem Zeitpunkt hatte die Zahl gemeldeter Neuinfektionen bei 17.214 gelegen. Der Höchststand war am Samstag mit 23 399 verzeichneten Fällen erreicht worden.

Das RKI zählt seit Beginn der Pandemie insgesamt 705.687 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland (Stand: 11.11., 00.00 Uhr). Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus stieg bis Mittwoch um 261 auf insgesamt 11.767. Am Dienstag betrug diese Steigerung 154 Fälle. Das RKI schätzt, dass rund 454.800 Menschen inzwischen genesen sind.

Covid-19: Wie weit bis zu neuen Maßnahmen* in den Landkreisen?

Das sogenannte Sieben-Tage-R lag laut RKI-Lagebericht vom Dienstagabend bei 0,92 (Vortag: 0,98). Das heißt, dass 100 Infizierte rechnerisch etwa 92 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab.

+++ Bericht: Mehr als 300.000 Schüler in Quarantäne +++

Berlin. Die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Schülerinnen und Schüler in Deutschland ist laut einem Zeitungsbericht deutlich gestiegen. Wie die »Bild«-Zeitung in ihrer Mittwochsausgabe unter Berufung auf den Deutschen Lehrerverband berichtet, befinden sich derzeit mehr als 300.000 Schülerinnen und Schüler in Corona-Quarantäne. Ende September waren es demnach noch rund 50.000 gewesen. Die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer in Quarantäne liege aktuell bei bis zu 30.000.

Die Folge seien immer mehr Schulschließungen, sagte Lehrerverbandspräsident Heinz-Peter Meidinger zu »Bild«: »Wir erleben an den Schulen jetzt einen Salami-Lockdown.« Damit meinte er die schrittweise Schließung von immer mehr Schulen. In der »Passauer Neuen Presse« (»PNP«) äußerte Meidinger die Hoffnung, dass generelle Schulschließungen noch vermieden werden könnten. Dazu müssten aber die Vorsichtsmaßnahmen hochgefahren werden, forderte er. Als Beispiele nannte der Verbandspräsident eine Maskenpflicht wie auch die vorübergehende Wiedereinführung der Abstandsregel, was halbierte Klassen und Wechselbetrieb bedeute. »Das wäre aber immer noch besser als eine Vollschließung«, betonte Meidinger.

Den politisch Verantwortlichen warf der Verbandschef schwere Versäumnisse beim Schutz der Schulen vor dem neuartigen Coronavirus vor. »Schulen sollen auf Biegen und Brechen offen bleiben«, kritisierte er. Dabei solle nicht mehr präventiv gehandelt, »sondern nur noch auf konkrete Infektionsfälle an Schulen im Nachhinein reagiert werden«. Dies sei »ein Fehler und nichts anderes als die Kapitulation der Schulen vor der Pandemie«.

+++ 500 Demonstranten in Schwerin gegen Corona-Beschränkungen +++

Die Eindämmung des Coronavirus - und der erneute Herbst-Anstieg

Schwerin. In Schwerin haben nach Polizeiangaben am Dienstagabend rund 500 Menschen gegen die Corona-Beschränkungen demonstriert. Bei den Protesten in der Nähe des Schweriner Schlosses waren Plakate mit Forderungen wie »Stoppt den Test-Terror«, »Niemand wird uns das freie Atmen verbieten« und »Körper, Geist, Seele, alles meins!« zu sehen. Nach Polizeiangaben habe es keine Auffälligkeiten gegeben.

Die Stadt Schwerin hatte für Dienstagabend zwei Demonstrationen gegen Corona-Beschränkungen genehmigt, nachdem sie eine andere Demo mit bis zu 100.000 angemeldeten Teilnehmern per Ordnungsverfügung untersagt hatte. Nach Angaben der Landeshauptstadt stammt der Anmelder der Demonstration nicht aus Mecklenburg-Vorpommern. Die Versammlungsleiter hätten bereits mit ihrer Reise ins Bundesland gegen die Corona-Landesverordnung verstoßen und seien umgehend zur Ausreise aus dem Bundesland aufgefordert worden. Ohne einen Versammlungsleiter sei ein reibungsloser Ablauf einer Demonstration nicht zu gewährleisten.

Laut Landesregierung sind Demonstrationen in Mecklenburg-Vorpommern im Zuge der Corona-Pandemie mit bis zu 500 Menschen möglich, sofern die Einhaltung des Mindestabstandes von 1,50 Metern zwischen den Demonstranten gesichert ist. Versammlungen müssten wie sonst auch bei der zuständigen Versammlungsbehörde angemeldet werden. Eine Ausnahmegenehmigung für mehr als 500 Demonstranten könne auf Antrag erteilt werden. Dafür sei das Einvernehmen mit der zuständigen Gesundheitsbehörde erforderlich.

+++ Wahlleiter rechnet mit mehr Briefwählern +++

Berlin. Bundeswahlleiter Georg Thiel rechnet wegen der Corona-Pandemie mit einem steigenden Anteil von Briefwählern bei der Bundestagswahl. »Darauf bereiten wir und das Bundesinnenministerium uns jetzt schon intensiv vor«, sagte Thiel dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. »Acht bis neun Wochen vor der Wahl fahren wir unsere IT-Systeme hoch und testen die am Ende täglich, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.« Er sei zuversichtlich, dass man selbst bei einer deutlichen Steigerung der Briefwahlstimmen in der Wahlnacht oder spätestens am nächsten Morgen ein vorläufiges amtliches Endergebnis verkünden könne, sagte Thiel. Die Bundestagswahl ist im Herbst 2021. Agenturen/nd

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