Blickfeld rechts eingetrübt

Nach langem Ausweichen gab Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister zu, bei einem Ex-Nordkreuzler eine Waffe gekauft zu haben

Quälend lange hat Lorenz Caffier gebraucht, überhaupt zuzugeben, dass er von einem Mann eine Jagdwaffe gekauft hat, der mit dem rechtsradikalen Netzwerk Nordkreuz in Verbindung steht. Monatelang ließ Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Fragen von taz-Reporter*innen unbeantwortet, die bereits im März von dem Geschäft erfahren hatten, dementierte aber auch nicht. Einer Mitarbeiterin des Blattes sagte der CDU-Politiker noch am Donnerstag während der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2019 für sein Bundesland, was mit dieser Anschaffung zu tun habe, sei seine Privatangelegenheit. Sie dürfe sich danach nicht bei ihm in seiner Eigenschaft als Minister erkundigen. Auf die Nachfrage, wie man ihn denn als Privatmann erreiche, sagte er: »Sie können mir gern einen Brief schreiben.« Zugleich stellte er klar, dass es auch darauf keine Antwort geben werde. Dabei ermittelt die Generalbundesanwaltschaft bereits seit 2017 gegen Nordkreuz-Mitglieder, die zugleich Beamte von Sicherheitsbehörden oder Soldaten waren.

Am Freitagabend dann die Wende. Gegenüber Spiegel online räumte der Freizeitjäger ein, bei Frank T., Geschäftsführer der Firma Baltic Shooters in Güstrow und zeitweilig Nordkreuz-Mitglied, Anfang 2018 eine »Kurzwaffe« gekauft zu haben. Dabei handelt es sich nach Informationen des Redaktionsnetzwerks Deutschland um eine Glock-Pistole.

Der Kauf sei aber zu einem Zeitpunkt erfolgt, als T. »noch nicht unter Verdacht stand und im In- und Ausland als zuverlässiger Ausbildungspartner der Polizei galt«, beteuerte Caffier und verwies darauf, dass auf seinem Schießplatz seit 2009 Spezialeinheiten nicht nur des Landeskriminalamts Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch die Polizisten aus Thüringen, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen trainiert haben. Niemand habe bei dem Mann »mögliche Kontakte zu Rechtsextremisten vermutet«, erklärte Caffier.

Tatsächlich wurde das Trainingszentrum von T. erst im Frühjahr 2019 im Zusammenhang mit »Nordkreuz« durchsucht. Danach stellte das Land Mecklenburg-Vorpommern seine Zusammenarbeit mit seiner Firma ein, Caffier legte die Schirmherrschaft über den jährlichen Workshop für die »Special Forces« der Polizeien mehrerer Bundesländer nieder. Andererseits waren die Verbindungen der Nordkreuzler zum Unternehmen von T. bereits seit 2017 bekannt. Bei ihm kauften nachweislich aktive Mitglieder des rechtsradikalen Prepper-Netzwerks Waffen und Munition. Die Gruppe steht unter dem Verdacht, einen gewaltsamen Umsturz vorzubereiten. Bei Razzien wurden große Mengen Waffen und Munition sowie zahlreiche private Daten von Politiker*innen und engagierten Personen aus dem linken Spektrum gefunden, deren Tötung die Aktiven des Netzwerks für den »Tag X« planen. Minister Caffier war es, der es noch im Sommer 2019 nicht für nötig hielt, Menschen, deren Namen auf den Nordkreuz-»Feindeslisten« standen, zu informieren – obwohl etwa Beamte des Bundeskriminalamtes dies ausdrücklich empfohlen hatten. Caffier sah jedoch keine »unmittelbare« Gefahr für die von den Neonazis in Uniform Ausgespähten.

Nordkreuz-Gründer und -Administrator Marko G. soll bei Frank T. zeitweilig als Schießtrainer beschäftigt gewesen sein. Ende 2019 verurteilte das Landgericht Schwerin Marco G. aufgrund der Unmengen von Waffen und Munition, die bei ihm Anfang 2019 gefunden worden waren, unter anderem wegen Verstößen gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz zu 21 Monaten Haft – auf Bewährung. Die Ermittlungen der GBA gegen ihn laufen noch. Kollegen hatten den früheren Scharfschützen eines Spezialeinsatzkommandos der Polizei schon 2009 wegen rechtsradikaler Äußerungen ihren Vorgesetzten beim Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommerns gemeldet. Die unternahmen jedoch nichts. Und noch im August dieses Jahres sagte G. gegenüber Spiegel online, Nordkreuz sei weiterhin aktiv.

Vor Caffiers Offenbarung hatten Politiker*innen von Linkspartei und Grünen den Minister aufgefordert, zum Waffenkauf umfassend Auskunft zu geben. Anderenfalls sei eine Amtsenthebung durch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) angebracht, forderte etwa der Linke-Landtagsabgeordnete Torsten Koplin.

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