Festhalten an den US-Bomben in der Eifel

Die amtierende Große Koalition will wie ihre Vorgängerregierungen im Kreis der Nuklearmächte mit am Tisch sitzen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Als der Krefelder Appell wider die Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen beschlossen wurde, bestand die Bundesrepublik Deutschland bereits seit über drei Jahrzehnten. Von Anfang an gab es Gründe, das Verhältnis des Landes zu Atomwaffen höchst kritisch zu sehen. Und das nicht nur aufseiten des Warschauer Vertrages. Auch die meisten Nato-Partner des westdeutschen Staates hatten ein wachsames Auge auf dessen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Zwar hatte Kanzler Konrad Adenauer 1954 offiziell auf Herstellung und Besitz solcher Waffen verzichtet, doch hielt er sich mit Hinweis auf eine angeblich wachsende kommunistische Gefahr aus dem Osten alle Optionen offen.

Das verärgerte damals sogar den wichtigsten Verbündeten, die USA. Mehrfach beauftragte beispielsweise Präsident John F. Kennedy seine Diplomaten und den Geheimdienst CIA, den Deutschen auf die Finger zu schauen. Deren Argwohn richtete sich vor allem gegen den deutschen Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß (CSU). Der wollte mit dem Atomwaffenstaat Frankreich dealen, um in den Besitz der Bombe zu gelangen. Außenminister Gerhard Schröder (CDU) und einige maßgebliche FDP-Politiker dagegen strebten eigene Entwicklungen an, weil ihrer Ansicht nach nur eine deutsche Nuklearwaffe »die Kommunisten« glaubwürdig abschrecken würde. Auch Adenauer fand es »unerträglich«, dass nur vier Mächte über Atombomben verfügten und »damit das Schicksal aller Völker dieser Erde in der Hand haben«.

Doch Kennedy machte dem »verbitterten alten Mann« vom Rhein unmissverständlich klar, wo die Grenzen liegen - also suchte er nach dem Mauerbau in Berlin einen Ausgleich mit Moskau. Dazu war es wichtig, dass die Westdeutschen keinen Finger an einen nuklearen Abzug bekamen. Die Bundesrepublik musste Nichtnuklearmacht bleiben und unterzeichnete Anfang der 1970er Jahre - wie inzwischen rund 190 Staaten - den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen. Und verpflichtete sich damit, solche weder zu entwickeln noch zu bauen oder zu stationieren.

Die Entwicklung nach dem vertraglich vereinbarten Rückzug und der Vernichtung atomarer Mittelstreckenraketen aufseiten der Nato wie des Warschauer Vertrages sowie der rasante Zerfall des östlichen Staatenbundes verbesserten die Bedingungen für ein atomwaffenfreies Gesamtdeutschland enorm.

Doch noch immer gibt es auf deutschem Boden Atombomben. Sie lagern mutmaßlich in speziellen Grüften unter den Flugzeugbunkern des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33, das in Büchel stationiert ist, und werden von einer dort ebenfalls stationierten speziellen Truppe der US-Armee einsatzbereit gehalten. Ob es 20 oder 40 sind, wissen nur wenige Eingeweihte. Sicher aber ist, dass sie im Ernstfall von deutschen Piloten auf zuvor befohlene Ziele abgeworfen werden sollen. Diese Bereitschaft sichert Deutschland ein Mitspracherecht im Rahmen der sogenannten nuklearen Teilhabe der Nato. Das Problem: Was immer im Kreis der atomar Willigen politisch beredet wird - über den Einsatz solcher Massenvernichtungsmittel bestimmt nur einer - der jeweilige US-Präsident. Noch heißt er Donald Trump. Über dessen politische Klugheit und Zurückhaltung muss man angesichts seiner Weigerung, nach der verlorenen Wahl das Weiße Haus zu räumen, keine Worte verlieren.

Bereits unter Trumps Vorgänger Barack Obama waren Pläne zur Modernisierung der in Deutschland gelagerten Atomsprengköpfe bekanntgeworden. Es gibt eine Reihe von Indizien, dass dies derzeit geschieht oder bereits geschehen ist. Allerdings sind die Tage des bislang für den Bombentransport vorgesehenen Bundeswehr-Jagdbombers »Tornado« gezählt. Im Bundesverteidigungsministerium wird aber nach neuen Flugzeugen für diese nuklearen Selbstmordeinsätze gesucht.

Einige Experten meinen, dass die Bedeutung der modernisierten Atombomben und die der neuen Trägermaschinen steigt, nachdem Trump unlängst den mit Moskau geschlossenen Vertrag über das Verbot bodengestützter nuklearer Mittelstreckenraketen gekündigt hat. Andere sehen jedoch andere Optionen, wie die USA neuen russischen Atomraketen Paroli bieten könnten. U-Boot-Raketen bieten aus Sicht der US-Administration - unter Ausschluss der Nato - effektivere Möglichkeiten, das Gleichgewicht des Schreckens auf dem europäischen Kampffeld neu zu justieren.

Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD ist festgeschrieben, dass die Bundesrepublik an der »nuklearen Teilhabe« festhält. Doch was nützt diese kreuzgefährliche Anbiederei? Die politischen Realitäten haben sich verschoben. Für Washington ist China der strategische Gegner, der asiatische Raum gewinnt an Bedeutung. Das ist auch einer der Gründe, weshalb die USA ihre Truppen in Deutschland ausdünnen. Die nukleare Komponente in der Eifel soll jedoch bleiben. Sie dient zwar weniger militärischen Notwendigkeiten, ist aber - egal wer in Washington regiert - bestens geeignet, die deutschen Verbündeten »bei der Stange« zu halten.

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