Brasiliens Linke darf hoffen

Bolsonaros Kandidaten floppen bei landesweiten Kommunalwahlen

  • Peter Steiniger
  • Lesedauer: 3 Min.

Die landesweiten Kommunalwahlen am Sonntag im größten Land Südamerikas haben dessen politische Landkarte nicht neu geschrieben, die Kräfteverhältnisse aber etwas verschoben. In der Summe haben diverse traditionell-konservative Parteien der sogenannten Großen Mitte die meisten Mandate einsammeln können. Doch auch die Linkskräfte insgesamt konnten in den Großstädten ihre Position ausbauen. Dabei ist die Arbeiterpartei (PT) nicht mehr der klare Hegemon in diesem Lager. Deutlich an Gewicht gewonnen hat die Partei Sozialismus und Freiheit (PSOL), entstanden aus einer linken PT-Abspaltung.

In 5568 Gemeinden waren 148 Millionen Wähler zur Stimmabgabe aufgerufen. Trotz bestehender Wahlpflicht blieb fast ein Viertel der Wahlberechtigten den Urnen fern. Neben der Corona-Pandemie spielen dafür politisches Desinteresse und Enttäuschung vom Politikbetrieb in Gänze eine Rolle. Die Wahlen waren an vielen Orten von lokalen Themen geprägt oder inhaltsleer und wie stets in Brasilien extrem auf die Person an der Spitze der jeweiligen Wahlliste ausgerichtet.

In 18 der 26 Hauptstädte und in Brasília konnte sich kein Bewerber um das Bürgermeisteramt eine absolute Mehrheit der gültigen Stimmen sichern. Hier stehen am 29. November Stichwahlen an. Besondere Bedeutung kommt der Entscheidung in der Megametropole São Paulo zu. Hier landete der PSOL-Kandidat und Anführer der Bewegung der wohnungslosen Arbeiter (MTST) Guilherme Boulos (PSOL) einen überraschend großen Erfolg. Mit 20,3 Prozent erhielt das Gespann aus Boulos und seiner Vize-Kandidatin - der PSOL-Legende und Kongressabgeordneten Luiza Erundina - die zweitmeisten Stimmen hinter dem aktuellen Bürgermeister, Bruno Covas von der großbürgerlichen PSDB (32,9 Prozent).

Der ohne viel Hinterland ins Rennen gegangene PT-Kandidat Jilmar Tatto fuhr in der früheren Hochburg der Arbeiterpartei nur 8,7 Prozent ein. Tatto war vor der Wahl intern gedrängt worden, sich hinter Boulus zu stellen. Der 38-jährige Aktivist gilt als möglicher Kandidat eines Linksbündnisses bei den Präsidentschaftswahlen 2022. Boulus hat einen engen Draht zum früheren Präsidenten von Brasilien Lula da Silva. Er unterstützte aktiv den Kampf um die Freilassung des prominentesten PT-Politikers aus der Haft nach einem politisch motivierten Korruptionsprozess.

In Porto Alegre geht die PCdoB-Kommunistin Manuela D'Ávila ins Stechen gegen den Konservativen Sebastião Melo (MDB). In etwa einem Dutzend der hundert größten haben PT und PSOL noch Siegchancen.

Mindestens 33 der 45 von Präsident Jair Bolsonaro im Wahlkampf unterstützten Stadtratskandidaten zogen am Sonntag den Kürzeren. Von den Bürgermeisteraspiranten ist in zwei Wochen nur noch der evangelikale Fundamentalist Marcelo Crivella im Rennen: für Rio de Janeiro. Hier schaffte es Bolsonaro-Sohn Carlos wieder ins Stadtparlament, mit Stimmverlusten gegenüber 2016.

Im Hinterland, besonders in den Bundesstaaten Mato Grosso und Pará, bewarben sich auch viele Landbarone um ein politisches Amt. Erhebungen von Umwelt-NGO zufolge waren darunter mindestens 752 Bewerber um ein Bügermeisteramt oder Stadtratsposten, die in der Vergangenheit wegen Umweltdelikten wie illegaler Abholzung oder Brandrodung in Schutzgebieten von der Behörde Ibama Geldstrafen erhalten haben.

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