Wenn die Bienen nicht mehr tanzen

Ist die Pestizidbelastung zu hoch, können Honigbienen mit ihrem Flugverhalten davor warnen

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei den milden 15 Grad in der ersten Novemberhälfte wäre es kaum überraschend, bekäme man in diesen Tagen auch Bienen zu Gesicht. Die fühlen sich in der Hauptstadt ohnehin sehr wohl, weil hier die Belastung mit Schadstoffen, die den Insekten gefährlich werden können, nicht so hoch ist wie in stärker pestizidbelasteten Gebieten. »Die Berliner Situation ist ideal«, sagt Neurobiologe Randolf Menzel. »Die Bäume, von denen die Bienen hauptsächlich Nektar und Pollen sammeln, werden nicht gespritzt.« Seit einem halben Jahrhundert forscht er zu Honigbienen. Aktuell leitet der emeritierte Professor an der Freien Universität das Forschungsprojekt »Umweltspäher«, das Bienen als Warnsystem für Pestizidbelastung einsetzen will.

An zwei Orten in der Stadt analysiert das Forschungsteam dafür mit Messgeräten, die in den Bienenkästen angebracht sind, das Verhalten von Honigbienen. »Die Bienen haben sehr gute Bedingungen und sind nicht mit Giften belastet«, weiß Menzel aus den Messungen an der Freien Universität und an einem Bienenkasten der Aurelia-Stiftung.

Das Projekt baut auf zwei Erkenntnissen auf: Erstens generieren Bienen bei der Kommunikation in ihrem Stock, zum Beispiel durch die Schwänzeltänze, ein elektrostatisches Feld, das sich messen lässt. Zweitens reagieren sie auf die Aufnahme von Pestiziden, indem sie deutlich weniger kommunizieren. »All das, was ein Landwirt zur Abwehr von Schadinsekten spritzt, nehmen die Bienen in ihren Körper auf, während sie Nektar und Pollen sammeln. Wenn sie diese Gifte aufgenommen haben, tanzen sie entweder gar nicht mehr oder schlecht«, sagt Menzel.

Dadurch funktionieren die »Umweltspäher« als eine Art Warnsystem. Menzel erzählt von einem Brandenburger Imker, in dessen unmittelbarer Umgebung sich eine ungespritzte und eine gegen Schädlinge gespritzte Apfelbaumplantage befinden. An beiden Orten seien Bienenkästen mit Messstationen aufgebaut worden, die Ergebnisse seien deutlich: »Die Bienen, die in ungespritzten Apfelbäumen gesammelt haben, haben wunderbar getanzt und alle möglichen fantastischen Muster gezeigt. Und die anderen Bienen haben nahezu nicht getanzt«, so der Forscher. Ihm schwebt ein deutschlandweites oder sogar darüber hinausgehendes Netzwerk von Messstationen vor, um zu überprüfen, welche Felder und Obstplantagen einer zu hohen Pestizidbelastung ausgesetzt sind. Das dauere aber noch einige Jahre, schätzt Menzel. Aktuell werde zunächst ein Programm für die Datenverarbeitung direkt an den Messstationen entwickelt, damit die Imker*innen nicht wie momentan ihre Daten jede Woche zur Auswertung an das Forschungsteam schicken müssen.

Während Honigbienen von Imker*innen umsorgt werden, sind Wildbienen auf sich gestellt und stark bedroht durch den Verlust von Lebensräumen und die Schadstoffbelastung in der Landwirtschaft. Wie den Honigbienen gehe es aber auch den Wildbienen in Berlin verhältnismäßig gut, sagt Derk Ehlert, Wildtierreferent der Senatsverwaltung für Umwelt. Von 590 Wildbienenarten in Deutschland lassen sich 320 in Berlin finden, so Ehlert. Die Umweltverwaltung bemüht sich, möglichst viele Flächen in der Stadt insektenfreundlich umzustrukturieren. »Jede Brache, jede Wildnis in der Stadt, ist eine Bereicherung für Insekten«, sagt der Wildtierexperte.

Für Honigbienen ist die Senatsverwaltung für Verbraucherschutz zuständig. Etwa 9000 Honigbienenvölker gebe es in Berlin, sagt Sprecher Sebastian Brux. »Der Bestand an Imker*innen und Bienenvölkern ist seit 2012 stetig steigend«, sagt er. Die Senatsverwaltung fördere einige Honigbienen-Projekte, vor allem Forschungen im Bereich der Gesundheit. Das Umweltspäher-Projekt an der Freien Universität sei der Senatsverwaltung aber noch nicht bekannt. Wenn Randolf Menzel weiter so erfolgreich mit seinem Warnsystem ist, dürfte sich das bald ändern.

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