Der Ball liegt bei Johnson

Irlands Regierung plant keine Kontrollen an der Grenze zu Nordirland nach dem Brexit

  • Dieter Reinisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Verhandlungen zwischen Brüssel und London stecken in der finalen Phase, eine Einigung ist aber noch nicht in Sicht. Die zukünftige Stellung von Nordirland ist bis zuletzt einer der Zankäpfel. Denn durch die irische Insel wird sich die einzige Landgrenze zwischen einem EU-Mitgliedsland und dem Vereinigten Königreich ziehen. Es ist eine Grenze, die sich entlang alter Grafschaftsgrenzen aus dem 17. Jahrhundert über 500 Kilometer durch zum Großteil schwer erreichbares und kaum bewohntes Gebiet, über Hügel, durch Flüsse, Wälder und über entlegene Straßen schlängelt.

In einem Interview mit der in Belfast erscheinenden »Irish News« machte der irische Außenminister Simon Coveney am Dienstag unmissverständlich klar, dass seine Regierung keine Pläne für eine Bewachung der Landgrenze ab dem 1. Januar 2021 vorbereitet - auch wenn es zu keiner Einigung der EU mit den Briten kommt.

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Lange beharrten die irische Regierung und Brüssel auf dem »Irish Backstop«, einer Sonderregelung für die nordirische Provinz, nach der sie nach dem Brexit noch sechs Jahre im EU-Binnenmarkt bliebe. Das würde Waren- und Personenkontrollen innerhalb Irlands vermeiden. Rechts-konservative Kreise der Tories und die unionistischen Hardliner aus Nordirland stehen dazu in Opposition. Sie wollen Nordirland nicht anders als den Rest des Vereinigten Königreichs behandelt sehen. Radikale Republikaner wie die Neue IRA wiederum drohten, Grenzposten als Angriffsziele anzusehen. Schlussendlich kam es doch zu einem Abkommen, das nahe am »Backstop« war. Eine harte, bewachte Grenze durch Irland soll danach es nicht geben.

Doch die Unionisten, ein wichtiger Bündnispartner der Tories im Londoner Parlament, waren unzufrieden. Radikale Unionisten organisierten seit dem vergangenen Winter Treffen, um gegen das Abkommen Stimmung zu machen. Im Sonderstatus Nordirlands und einer Zollgrenze durch die irische See sehen sie eine schleichende Wiedervereinigung der Insel. Wenn es bei dem Abkommen bleibe, »werde es Bomben in Dublin und Limerick geben«, zitierte die »Times« ein Mitglied pro-britischer Paramilitärs.

Im September brachte der britische Premier Boris Johnson ein neues Binnenmarktgesetz ein, das keine Grenze durch die irische See vorsieht - ein Bruch des von seiner Regierung erst im Januar 2020 mit Brüssel geschlossenen Abkommens. Während das Unterhaus dem Gesetzesvorschlag zustimmte, wurde er vom Oberhaus abgelehnt. Seither hat die Frage Nordirlands und der irischen Grenze weiter an Brisanz gewonnen.

Anfang November warnte der nordirische Polizeichef Simon Byrne im britischen Parlament davor, dass diese Grenze ein Einfallstor für Drogen-, Waffen- und Menschenschmuggel werde, sollte bis Jahresende keine Lösung gefunden werden. Durch die schwer überwachbare Grenze und die fehlende Infrastruktur für Kontrollen in den Häfen, könnten über Irland leicht Güter in oder aus der EU geschmuggelt werden. Da die weitere Sicherheitszusammenarbeit zwischen Großbritannien und den EU-Organen noch nicht geklärt ist, bedeutet das ein erhöhtes Risiko von Terrorismus und Kriminalität.

Irlands Außenminister Coveney hofft weiter darauf, dass Johnson das mit der EU geschlossene Abkommen doch ratifiziert. Andernfalls will Dublin gemeinsam mit der EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen London einleiten. Coveney ging nicht zufällig kurz nach dem Wahlsieg von Joe Biden bei der US-Präsidentschaftswahl an die Öffentlichkeit. Die Johnson-Regierung hat gern betont, dass der jetzt abgewählte Donald Trump nach dem Brexit der engste Partner sein werde. Biden, der irisch-katholische Vorfahren aus der Grafschaft Mayo hat, verspricht dagegen, das Karfreitagsabkommen von 1998, welches den bewaffneten Konflikt in Nordirland beendete, zu verteidigen. Darin steht auch, dass es keine befestigte Grenze durch Irland geben darf. Will sich Johnson mit der neuen US-Regierung gut stellen, bleibt ihm nichts anderes übrig, als die pro-britischen Unionisten in Nordirland zu enttäuschen.

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