• Politik
  • Dr. Schmidt erklärt die Welt

Wie kann man sich technisch nur so irren?

Dr. Schmidt über Fehlprognosen in der Technikentwicklung

Im vergangenen Jahr wurden erstmals seit 1986 wieder mehr Vinylplatten als CDs verkauft. Dabei dachte man, dieser Tonträger sei im letzten Jahrhundert gestorben.

Dachte man. Deshalb haben viele Leute, darunter dummerweise auch ich, sich damals etliche ihrer Platten als CDs neu gekauft.

Umgerüstet, wie man damals gesagt hat. Das hat die Umsätze der Musikindustrie verfünffacht.

Ein Riesengeschäft, aber auch der Einstieg in den Ausstieg. Denn die digitale Form war natürlich perfekt zum Kopieren. Eine Schallplatte konntest du nur auf Tonband oder Kassette überspielen - Qualitätsverlust garantiert. Die CD kannst du 1:1 kopieren.

Und deshalb hat die Firma Philips nicht nur die ersten CD-Spieler gebaut, sondern auch die ersten Brenner. Ganz so wie Marx sagt, dass der Kapitalismus anarchisch funktioniert.

Die Kassetten waren auch schon ein Patent von Philips. Doch der Hauptschlag gegen die Musikindustrie war die Erfindung des komprimierten Audioformats MP3 in einem Fraunhofer-Institut, was dann andere zu Geld gemacht haben, zum Beispiel Apple. Das hatte niemand vorhergesehen.

Und was sind weitere Fehleinschätzungen in der Technikgeschichte?

1899 hat in den USA der damalige Chef des Patentamtes den Präsidenten ersucht, sein Amt aufzulösen, es sei alles schon erfunden. Und 1943 meinte der damalige Chef von IBM, weltweit würden maximal fünf Computer reichen. Und der Chef von Digital Equipment glaubte noch 1977, dass die Menschen zu Hause keine Rechner haben wollten. Und in den 1920er Jahren war selbst der Sciencefiction-Autor H. G. Wells überzeugt, das Radio habe sich bald wieder erledigt.

Und das Fernsehen?

Das versucht unentwegt sich selbst zu revolutionieren. In den frühen 2000ern verkündeten die Konzerne, dass nun der 3-D-Fernseher kommt.

Kann ich mich gar nicht dran erinnern.

Siehste.

Oh Mann. Und jetzt Hand aufs Herz: Hast du denn noch Schallplatten, die du anhörst?

Noch eine ganze Menge, die höre ich auch. Erst letzte Woche mal wieder, um festzustellen, dass sie klanglich deutlich abfällt gegenüber ihrer CD-Version.

Ach so? Das ist eine Extra-Diskussion, das werden wir noch mal gesondert behandeln.

Das eigentliche Problem an der Schallplatte ist aber, dass man andauernd aufstehen muss, um sie umzudrehen oder eine neue aufzulegen.

Das hat einen früher nicht gestört.

Da habe ich meine Tonbänder vorgezogen. Die liefen nämlich länger.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.