Werbung
  • Berlin
  • Wem gehört die Stadt?

Heimstaden akzeptiert Milieuschutz

Abwendungsvereinbarungen für 82 Häuser – Mieterinitiative fordert deutlich mehr

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.
»Wir haben sehr viel erreicht. Mehr, als man vor einem Monat noch für möglich gehalten hat«, sagt Jagna Anderson am Freitagnachmittag vor dem Berliner Büro des skandinavischen Immobilienkonzerns Heimstaden. Sie ist eine der Mieterinnen und Mieter, deren Haus vom Konzern kürzlich erworben worden ist. Es wurde weder vom Bezirk vorgekauft noch gab es eine Abwendungsvereinbarung. Anders als beim 130-Häuser-Paket, bei dem schließlich am Freitagabend Bezirke und Senat eine umfassende Einigung vermelden konnten.

Für alle 82 Häuser in Milieuschutzgebieten des Pakets mit über 2200 Wohnungen hat Heimstaden umfassende Abwendungsvereinbarungen geschlossen, wie der Neuköllner Stadtentwicklungsstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) bekannt gab. Sie liegen in zehn Bezirken. Darin verpflichtete sich der Konzern unter anderem, auf die Umwandlung der Mietshäuser in Eigentumswohnungen für 20 Jahre zu verzichten. Zudem sichert Heimstaden zu, möblierte Wohnungen mit befristeten Mietverträgen in reguläre Mietverhältnisse auf unbestimmte Zeit umzuwandeln. Eine Härtefallregelung begrenzt die Umlage von Modernisierungskosten so, dass die Nettokaltmiete 30 Prozent des Haushaltseinkommens nicht übersteigt. Diese Zusagen gelten für zehn Jahre.

»Ein Paketkauf dieser Größe ist eine wahnsinnig schwierige Aufgabe für alle Beteiligten. Bezirke und Senatsverwaltungen sind geschlossen aufgetreten – das hat sich gelohnt«, erklärte Biedermann. »Wer in Berlin kauft, darf die Rechnung nicht ohne die Mieter*innen machen. Das hat die Stadt erneut gezeigt«, so der Stadtrat weiter.

Es sei »in den Verhandlungen gelungen, Heimstaden auch davon zu überzeugen, dass die Einhaltung der Ziele des Milieuschutzes nicht fakultativ ist«, erklärte Wohnen-Staatssekretärin Wenke Christoph (Linke). Finanz-Staatssekretärin Vera Junker (SPD) lobte die »konstruktiven Gespräche« mit dem Konzern.

Auch Heimstaden gibt sich erfreut über den Abschluss. »Damit es gelingt, freundliche Wohnungen und Nachbarschaften zu schaffen, brauchen wir glückliche Kunden, die sich sicher fühlen und die sicher sind, dass sie ihre Wohnung so lange behalten können, wie sie wollen«, erklärte Patrik Hall, der Vor-standsvorsitzende des Konzerns, der über mehr als 100 000 Wohnungen in Europa verfügt.

»Wir lassen uns von etwas abgedroschenen Phrasen des Psychokapitalismus nicht beeindrucken«, kommentiert Mieterin Jagna Anderson solche Unternehmenslyrik. Tatsächlich zeigte Heimstaden bei zwei kleineren Paketkäufen vor dem aktuellen 830-Millionen-Euro-Deal keinerlei Entgegenkommen gegenüber den Mieterschutz-Forderungen der betroffenen Bezirke. Der massive Druck durch den Mieterprotest und das konzertierte Vorgehen von Senat und Bezirken im aktuellen Fall scheint den Konzern jedoch beeindruckt zu haben.

»Vom heutigen Ergebnis sind wir enttäuscht«, kommentierte am Freitag Luca Niefanger, Sprecher der Initiative Stop Heimstaden. Fünf Wochen lang habe man sich organisiert und fast täglich in den verschiedenen Bezirken demonstriert. Ziel sei der Vorkauf aller Häuser im Milieuschutz sowie ein Schutz für alle Häuser außerhalb gewesen. Es bestehe die begründete Befürchtung, dass der vom Multimilliardär Ivar Tollefsen gegründete Konzern nun besonders Kosten der Häuser außerhalb von Milieuschutzgebieten Profit erwirtschaftet. Auch sei die »zeitlich stark begrenzte Abwendungsvereinbarung« nicht der benötigte Schutz.

»Eine Vereinbarung für die 60 Häuser außerhalb des Milieuschutzes fehlt«, moniert auch der Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne). »Deshalb müssen die Verhandlungen und Proteste weitergehen«, fordert er. So könnten städtebauliche Verträge geschlossen werden, die die Unterlassung der Aufteilung in Eigentumswohnungen und von Luxusmodernisierungen beinhalteten. Die Kooperation mit dem Senat und insbesondere Staatssekretärin Christoph sei »sehr gut« gewesen und sollte auf alle Vorkaufsfälle ausgeweitet werden, erklärt Schmidt.

»Wenn Politik und Verwaltung uns nicht schützen können oder wollen, werden wir uns auch in Zukunft als starke Gemeinschaft selbst gegen Heimstaden wehren«, kündigte Mieterin Kirsten Webrajetski an. In den folgenden Tagen werde man in allen Häusern, Ortsgruppen und der zentralen Vernetzung diskutieren, wie man »mit diesem schlechten Kompromiss der Politik mit Heimstaden« konkret umgehe und »neue Schritte einleiten«, heißt es von Stop Heimstaden. »Bleiben Sie gespannt«, so die Initiative.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.