Verlässlich unsentimental

Der frühere Schweriner Ministerpräsident Harald Ringstorff ist tot

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch die Linke trägt ihm nichts nach. In ihrem Nachruf würdigen die Vorsitzenden der Landespartei den ehemaligen Ministerpräsidenten Harald Ringstorff als »mutigen Politiker«, geradlinig und bodenständig. In der vergangenen Woche war der SPD-Politiker mit 81 Jahren verstorben, nach langer, schwerer Krankheit, wie es hieß. In tiefer Trauer sei man, so die Linke, über den Tod dieses »Politikers von Format«, obwohl Ringstorff nach zwei Amtsperioden mit der damaligen PDS, eine der beiden Vorgängerparteien der heutigen Linken, die Landesregierung lieber zusammen mit der CDU bildete. Doch war seine Entscheidung acht Jahre zuvor tatsächlich bahnbrechend für die Politik des wiedervereinigten Deutschland gewesen. Eine Koalition mit der »Nachfolgepartei der SED« zu bilden, wie die PDS landauf, landab in wenig freundlicher Absicht tituliert wurde, war durchaus eine Pioniertat, und mutig war sie erst recht. Doch dies war eben eine der Eigenschaften des Politikers Ringstorff: sich wenig um die veröffentlichte Meinung zu scheren, wenn er der Ansicht war, richtig zu handeln.

Ringstorff war erst spät, nämlich mit den Umbrüchen in der DDR, zum Politiker geworden, wurde Mitglied der Volkskammer und später Wirtschaftsminister der ersten Großen Koalition in Mecklenburg-Vorpommern. Zu DDR-Zeiten hatte er im Schiffbaukombinat in Rostock gearbeitet - als studierter Chemiker im Bereich Lacke und Farben. Mit der CDU geriet er nach der Wende denn auch über deren Werftenpolitik aneinander, was ihn schließlich sein Ministeramt kostete. Und überhaupt brauchte er einige Zeit, sich an die Gepflogenheiten der neuen Zeit zu gewöhnen, die ihm doch erst die Chance zu einer politischen Karriere eröffnet hatte. Dazu zählte auch, dass ein westdeutscher SPD-Genosse den ersten Wahlkampf im eigenen Bundesland als Spitzenkandidat führte, weil die Genossen der SPD-Spitze es sich so ausgedacht hatten. Das wollte ihm wohl nicht recht in den Kopf. Schließlich war Ringstorff da schon SPD-Landesvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern. Klaus Klingner, der Justizminister in Schleswig-Holstein war, scheiterte und zog wieder ab - vor drei Monaten feierte er in Bad Oldesloe glücklich die Diamantene Hochzeit mit seiner Frau.

Ringstorff wurde als Fraktionschef der SPD in Schwerin Gegenspieler des CDU-Fraktionsvorsitzenden Eckhardt Rehberg und schmiedete da bereits an einem Bündnis mit der PDS. 1998 war es soweit, Rot-Rot errang die Mehrheit im Landtag und bildete die erste Koalition ihrer Art bundesweit. Acht Jahre hielt diese. 2006 dann entschied sich Ringstorff allerdings als kühler Rechner nach knappem Wahlausgang für die CDU und eine Große Koalition.

Die Geduld des Koalitionspartners hatte er schon zuvor heftig strapaziert, als er im Bundesrat bei der Abstimmung über die Rentenreformen der rot-grünen Bundesregierung mit Ja votierte, obwohl ihm der Koalitionsvertrag wegen der ablehnenden Haltung der PDS eine Enthaltung auferlegt hätte. Den Rentenplänen zuzustimmen, zeigte zugleich den Sozialdemokraten der damaligen neoliberalen Umbrüche - die Rentenkürzungen und damit absehbaren Belastungen für kommende Rentnergenerationen nahm Ringstorff gemeinsam mit seiner Partei in Kauf - unter dem Vorwand einer angeblichen Generationengerechtigkeit. Aber die PDS hatte er wohl richtig eingeschätzt; sie blieb nach dieser Demütigung und der für Millionen Menschen folgenschweren Entscheidung bei der Stange und setzte die Koalition fort.

Harald Ringstorff, den die heutige Ministerpräsidentin und SPD-Genossin Manuela Schwesig als »verlässlich und standhaft« in Erinnerung hat, wusste seinen Kopf durchzusetzen und schonte dabei weder Freund noch Feind. Über alle Gräben hinweg wird jetzt aber an ein Verdienst erinnert, das ihm niemand streitig macht: Vorkämpfer des Plattdeutschen gewesen zu sein. Der Landesvorsitzende der Grünen etwa lobte zum Abschied: Ringstorffs »Einsatz zum Erhalt der plattdeutschen Sprache war beispielhaft«.

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