Getötet, weil sie Frauen sind
Am Tag gegen Gewalt an Frauen geht es nicht nur um Femizide in aller Welt
Berlin. Laut Mexikos Amt für öffentliche Sicherheit wurden im vergangenen Jahr rund 3800 Morde an Frauen registriert. Ein knappes Drittel davon Femizide, also Tötungen von Frauen, weil sie Frauen sind. Allein im April dieses Jahres wurden 337 Frauen getötet - so viele wie in keinem anderen Monat seit Beginn der statistischen Erfassung vor fünf Jahren. Auch in anderen lateinamerikanischen Ländern werden Morde an Frauen mittlerweile gesondert registriert - auf Druck feministischer Bewegungen. So auch in Argentinien, wo im Sommer 2015 nach der Tötung einer jungen Frau durch ihren Partner Hunderttausende Menschen unter dem Motto »Ni Una Menos« (Nicht eine weniger) protestierten. Der Begriff »Femizid« gehört dort heute zur Alltagssprache.
Ganz anders in Deutschland: Die Bundesregierung verweigert noch immer eine klare Benennung und Definition von Femiziden, kritisiert die Bundestagsfraktion der Linken in einem aktuellen Antrag. Dabei lehne die Regierung sogar die Übernahme von Definitionen wie die der Weltgesundheitsorganisation ab. Stattdessen werden Frauenmorde in der Öffentlichkeit noch immer als Beziehungsdramen, Familientragödien oder Ehrenmorde bezeichnet und verharmlost, warnt die Linksfraktion. Dabei sind laut Polizeilicher Kriminalstatistik im vergangenen Jahr 267 Frauen in Deutschland umgebracht worden. Sie wurden ermordet, im Affekt getötet oder erlitten so schwere Körperverletzungen, dass sie daran starben. Aus Studien der Bundesregierung geht hervor, dass im Jahr 2018 in Deutschland mehr als 114 000 Frauen Opfer von Gewalt wurden. Jeden Tag gab es einen Tötungsversuch. Gewalt gegen Frauen ist schrecklicher Alltag.
Wie der Bundesverband der Beratungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland erklärt, hat sich Gewalt gegen Frauen im digitalen Zeitalter zusätzlich ins Netz verlagert. Im Gespräch mit »nd« erklärt Verbandssprecherin Jenny-Kerstin Bauer, wie sich sexualisierte Gewalt digitalisiert und in Richtung bildbasierter Gewalt entwickelt hat: So werden Bilder, die zunächst unter Einverständnis aufgenommen wurden, nach der Trennung durch den Ex-Partner ohne Zustimmung ins Internet gestellt. Auch heimliches Filmen und Bildmanipulationen wie bei sogenannten Deepfakes nehmen zu. Dabei werden Bilder der Betroffenen auf pornografische Inhalte gefakt. Digitale Gewalt sei nicht von »analoger« Gewalt zu trennen, so Bauer. Vielmehr stelle sie eine Ergänzung oder Verstärkung bereits bestehender Verhältnisse dar.
Strukturen, auf die auch am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen an diesem Mittwoch aufmerksam gemacht werden soll. Seit 1981 wird damit auf Missstände wie häusliche Gewalt, Zwangsheirat und Ungleichheit verwiesen, die oft im Dunkeln bleiben. Im Fokus stehen auch Programme, die Frauenrechte stärken: im Bildungsbereich, beim Wahlrecht oder im Kampf für gerechte Bezahlung. bbe
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