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Ohne Mieter läuft nichts

Nur massiver Protest bringt manche Bezirke zur Prüfung des Vorkaufsrechts

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie weiter mit dem Vorkaufsrecht? Die Frage treibt angesichts ungünstiger rechtlicher Voraussetzungen Mieter und Politik in Berlin um. Am Mittwochabend haben sie sich beim Initiativenforum Stadtpolitik mit dieser Frage beschäftigt.

»Das Vorkaufsrecht ist immer noch abhängig von den organisierten Mietern«, kritisiert Lorena Jonas von der Initiative »23 Häuser sagen Nein«, die sich gegen einen Kauf der Deutschen Wohnen wehrte. Zwar würden manche Bezirke mittlerweile von sich aus aktiv, in anderen bräuchte es aber erst den lautstarken Protest der Mieter. Zentral ist für Jonas die Einrichtung einer landesweiten Koordinierungsstelle, in der alle Beteiligten vertreten sind. Das hätten vor allem Paketkäufe wie die der Deutschen Wohnen oder zuletzt von Heimstaden gezeigt. »Sobald mehrere Bezirke involviert sind, geht das Ringen um die Frage los, welcher Bezirk wie viel Geld bekommt«, so die Aktivistin.

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Immerhin wurden im zweiten Nachtragshaushalt, auf den die Koalitionsfraktionen sich jüngst geeinigt haben, 100 Millionen Euro zusätzlich für Zuschüsse für den Vorkauf eingestellt (»nd« berichtete). Ohne Landeszuschüsse sind die Kaufpreise für die gemeinwohlorientierten Dritten oft nicht zu stemmen. Fehlt das Geld, verhallt auch die Drohung gegenüber den Käufern, das Vorkaufsrecht auszuüben, wenn sie sich nicht mit sogenannten Abwendungsvereinbarungen auf erweiterten Mieterschutz verpflichten.

»Der Staat kann nicht auch noch mitmachen bei der Preisspirale«, gibt Wohnen-Staatssekretärin Wenke Christoph (Linke) zu bedenken: Eine Preislimitierung beim Vorkauf sei zwar wünschenswert, aber nur möglich, wenn der Kaufpreis eines Hauses 25 Prozent über dem Verkehrswert liege. Linke-Wohnungspolitikerin Gaby Gottwald bringt deshalb die Idee ins Spiel, zu prüfen, ob sich mit dem Ziel einer sozialverträglichen Vermietung die hohen Verkehrswerte absenken lassen. Ihre Kollegin von den Grünen, Katrin Schmidberger, ergänzt, dass es in den Bezirken auch schon länger Thema sei, wie sich der Mietendeckel auf die Verkehrswerte auswirken kann. Beim Thema Finanzen kritisiert Schmidberger, dass Genossenschaften immer noch zu »stiefmütterlich« behandelt und Darlehen teilweise wieder zurückgezogen würden. »Bei dem Paketkauf der Deutschen Wohnen gab es einen Run der Landeseigenen auf die günstigen Häuser, wodurch die Genossenschaften nicht zum Zuge gekommen wären«, so Schmidberger.

Bei den Paketkäufen der Deutschen Wohnen und zuletzt auch bei Heimstaden konnten die Wohnungsunternehmen Vorkäufe durch die Verpflichtung auf soziale Erhaltungskriterien abwenden. »Ich kann nachvollziehen, dass Mietern eine Rekommunalisierung lieber ist, uns sind da aber rechtliche Grenzen gesetzt«, erklärt Staatssekretärin Christoph. Ziel müsse es deshalb sein, die Kriterien für eine Abwendungserklärung wie das Umwandlungsverbot oder den Ausschluss von Luxusmodernisierungen so hoch wie möglich anzusetzen.

»Ich finde, unter 20 Jahren sollte nichts gehen«, sagt Gaby Gottwald. Trotzdem müsse man vorsichtig sein mit allzu drastischen Auflagen. Wenn ein Unternehmen die Abwendungserklärung nicht unterschreibt, könne es juristisch problematisch werden, wenn zum Beispiel eine Genossenschaft als Käufer weniger harte Auflagen bekomme.

Eine weitere Baustelle ist die Frage nach der Transparenz. Mieteraktivisten mahnten an, dass Abwendungserklärungen den betroffenen Mietern und Nachmietern ausgehändigt werden müssten, um deren Einhaltung überprüfen zu können. Auch kritisieren sie, dass sie während der Verhandlungen mit den Wohnungsunternehmen unzureichend über den aktuellen Stand informiert werden. Der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), sieht Mängel bei der Transparenz auch zwischen Land und Bezirken. Letztere wüssten oft nicht über den Finanzierungsbedarf bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen Bescheid. »Teilweise gibt es Verabredungen mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung noch unter Katrin Lompscher, die von der Senatsverwaltung für Finanzen nicht umgesetzt werden«, so Schmidt.

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