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Der Diamant unter den Asteroiden
Neue Erkenntnisse könnten helfen, die Bahn des Kleinplaneten Bennu genauer zu bestimmen.
Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts entdeckten Astronomen immer mehr vergleichsweise kleine Objekte, die sich hauptsächlich zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter um die Sonne bewegen. Diese Asteroiden, von denen wir inzwischen mehr als eine halbe Million mit gesicherten Bahnen kennen, gewinnen neuerdings zunehmend an Interesse. Zum einen können etliche von ihnen der Erde durchaus gefährlich werden, denn sie kreuzen die Bahn unseres Planeten (siehe Kasten). Zum anderen sind inzwischen auch Begehrlichkeiten erwacht, die auf die dort vorhandenen Rohstoffe abzielen, darunter auch viele, die auf der Erde immer knapper werden. Deshalb hat auch die Anzahl der Raumfahrtmissionen zu Asteroiden in letzter Zeit spürbar zugenommen, und für die kommenden Jahre planen Europa, Japan, China und die USA neun weitere Missionen. Derzeit macht gerade die Nasa-Sonde »Osiris-Rex« von sich reden, die spektakuläre neue Erkenntnisse über den erst 1999 entdeckten Kleinplaneten Bennu geliefert hat.
Bennu ist ein dunkles, kohlenstoffreiches Objekt mit nur knapp 500 Metern Durchmesser und umrundet die Sonne in jeweils 436 Tagen. Der sonnennächste Punkt seiner Bahn liegt bei 0,9 Astronomischen Einheiten (1 AE ist der mittlere Abstand zwischen Erde und Sonne), womit er zu den Erdbahnkreuzern gehört. Die Sonde »Osiris-Rex« war im September 2016 mit dem Ziel gestartet worden, Materialproben des Kleinplaneten aufzunehmen und zur Erde zurückzubringen. Ähnliches ist bisher nur den Japanern mit ihren beiden »Hayabusa«-Sonden in den Jahren 2005 bzw. 2019 gelungen. »Osiris-Rex« erreichte sein Zielobjekt Ende 2018 und schwenkte in eine Umlaufbahn um den Kleinkörper ein. In jeweils 62 Stunden umflog die Sonde den Asteroiden in einem Abstand von nur 1,75 Kilometern. Für die Präzisionskartierung näherte sie sich dem Himmelskörper zeitweise sogar bis auf 700 Meter. Als auf diese Art eine geeignete Stelle für die Probennahme gefunden war, wurde die Distanz auf wenige Meter verringert und ein Roboterarm berührte schließlich am 20. Oktober dieses Jahres für wenige Sekunden die Oberfläche von Bennu. Dabei wirbelte ein kräftiger Stickstoffstrahl Material auf, das von einem Sammelarm aufgenommen wurde und schließlich - so die Planung - im Jahre 2023 auf der Erde landen soll. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass vermutlich weitaus mehr als die beabsichtigten 60 Gramm eingesammelt wurden. Das hat dazu geführt, dass der Deckel des Sammelarms nicht mehr vollständig schließt, weil sich vermutlich einige größere Brocken verkeilt haben. Die Experten hoffen, das Problem schnell lösen zu können.
Während die meisten Asteroiden sich zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter bewegen, gibt es auch eine zahlenmäßig beträchtliche Gruppe von Kleinkörpern, die die Bahn unserer Erde kreuzen. Zu ihnen gehört auch Bennu. Er schneidet die Bahn unserer Planeten alle sechs Jahre. Wegen des Risikos einer Kollision mit der Erde wurden zahlreiche Überwachungsprogramme ins Leben gerufen, wodurch sich die Zahl der bekannten Erdbahnkreuzer in den letzten Jahren erheblich vergrößert hat. Um das Risiko abzuschätzen, muss man allerdings die Bahnen dieser Himmelskörper genau kennen. Wegen ihrer geringen Massen wirken sich auch andere Himmelskörper auf ihre Bewegungen aus, so dass genaue Vorhersagen schwierig sind. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass die Prognosen für eine Kollision sich selbst für ein und dasselbe Objekt immer wieder ändern. Von Bennu ist bekannt, dass er der Erde im Jahre 2135 näherkommen wird als der Mond. Durch diese Begegnung wird seine Bahn jedoch stark verändert, so dass es zu einem späteren Zeitpunkt im 22. Jahrhundert zu einer Kollision mit der Erde kommen könnte. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen »Armageddon«-Ereignisses liegt aber nach Abschätzungen von Andrea Milani aus Pisa und seinen Mitarbeitern (2009) bei unter 0,07 Prozent. Milani weist aber auch darauf hin, dass die Rolle des Jarkowski-Effektes dabei noch nicht zuverlässig eingeschätzt werden kann. Umso wichtiger werden jetzt die Auswertungen der Osiris-Rex-Mission. DBH
Bennu ist in verschiedener Hinsicht ein ungewöhnliches Objekt. Schon seine geringe mittlere Dichte von etwa einem Gramm pro Kubikzentimeter ließ vermuten, dass es sich gar nicht um einen kompakten monolithischen Körper handelt, sondern eher um ein loses Konglomerat von Gesteinsbrocken, also eine Art »Trümmerhaufen-Asteroid«. Auch die äußere Form des porösen Himmelskörpers ist merkwürdig. Betrachtet man ihn von den Polen aus, ähnelt er in seinem Querschnitt einem Diamanten. Von seinem Nordpol ausgehend, verlaufen Bergrippen mit bis zu 25 Metern Höhe in Richtung Süden. Auch am Äquator ist eine solche Bergrippe zu finden, die sich um den gesamten Körper zieht.
Eine ganz besondere Überraschung förderten jetzt jedoch Forschungen eines Teams um Daniel J. Scheeres von der Colorado University in Boulder zutage, die unlängst in »Science« veröffentlicht wurden. Die Forscher untersuchten die Massenverteilung von Bennu. Für diese schwierige Aufgabe nutzten sie zum einen das sogenannte Deep Space Network (DSN), ein weltumspannendes Netz von Parabolantennen, mit dessen Hilfe sich die Bewegung des Raumfahrzeuges verfolgen lässt. Die Massenverteilung des Asteroiden, d.h. sein Gravitationsfeld, sollte sich im Bewegungsverhalten der Sonde widerspiegeln. Doch wegen der geringen Masse des Asteroiden sind die Signale seiner Schwerkraft sehr schwach. Es kam aber ein weiterer glücklicher Umstand hinzu: Bennu »spuckte Steine«, d.h. kleinere Brocken lösten sich von seiner Oberfläche, umkreisten ihn eine Weile, um dann wieder zurückzufallen. »Als wenn jemand auf der Oberfläche diese Murmeln eigens hoch warf, damit wir ihre Bahn verfolgen können«, meinte Teamchef Scheeres. Die Kombination all dieser Daten und ihr Vergleich mit Modellen konstanter Dichte führten dann schließlich zum Ziel. Demnach ist das Zentrum des Asteroiden, ebenso wie die Äquatorzone, durch auffallend geringe Dichte gekennzeichnet, möglicherweise sind dort sogar größere Hohlräume vorhanden. Statt der Metapher vom Schutthaufen benutzen die Forscher für den Asteroiden jetzt das treffendere Bild einer Praline mit harter Schale und einem porösen Kern. Ein weiteres Ziel der Mission war die genauere Untersuchung eines nach dem russischen Ingenieur Iwan O. Jarkowski benannten Effektes, der durch die uneinheitliche Erwärmung des Himmelskörpers zustande kommt. Dadurch entstehen nämlich Rückstoßkräfte, die bei einem so kleinen Körper spürbar zusätzlich zur Gravitation wirken und für eine genaue Berechnung seines Bewegungsverhaltens berücksichtigt werden müssen. Mit den neuen Erkenntnissen machen sich nun die Planetologen ans Werk, um die Entstehungsgeschichte des Körpers aufzuklären und seinen Bahnverlauf zu präzisieren.
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