Aldi drückt den Bananenpreis

Gewerkschafter aus Lateinamerika warnen vor den Folgen des Preiskampfes in hiesigen Discountern

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 4 Min.

In Kolumbiens Bananenregion schlug die Nachricht vom Angebot des deutschen Discounters ein wie eine Bombe. »Den Ankaufpreis pro Bananenkiste, um fast neun Prozent abzusenken, ist für uns als Gewerkschaft genauso wenig akzeptabel wie für die Produzenten und die Exporteure. Auch die Regierung zeigt sich besorgt«, erklärt Adela Torres. Die Generalsekretärin der Gewerkschaft der Beschäftigten in der Agrarindustrie (Sintrainagro) ist schockiert von der Aldi-Initiative, den Ankaufspreis von derzeit 12,41 Euro pro Kiste mit 18,14 Kilogramm der nährstoffreichen Früchte auf 11,33 Euro zu senken. »Das Vorgehen von Aldi inmitten der Corona-Pandemie und angesichts der dramatischen Folgen der Hurrikane Eta und Iota die Preise zu senken, droht eine menschliche Katastrophe auszulösen«, so Torres. Davon besonders stark betroffen könnten die Frauen sein, die in Kolumbiens Bananenregion Urabá vor allem in der Verpackung arbeiten, warnt Torres.

Kolumbien zählt neben Costa Rica und Ecuador zu den drei wichtigsten Lieferländern Deutschlands für Bananen. Rund 70 Prozent der hierzulande konsumierten gelben Früchte kommen aus den drei Ländern. Aldi gehört in allen drei Ländern zu den großen Abnehmern. Weltweit ist der Discounter, der formal in Aldi-Süd und -Nord unterteilt ist, aber nicht nur Bananen gemeinsam einkauft, der wohl größte Einzelimporteur der Südfrüchte. »Der Aldipreis ist der Referenzpreis am Markt, mit der beabsichtigten Preissenkung droht Aldi eine Preisspirale nach unten loszutreten«, so Pedro Morazán, vom Südwind-Institut. Andere Supermarktketten wie Lidl, Edeka, Rewe oder die britische Tesco könnten gleichziehen. Das wäre verheerend, denn in den letzten fünf von sechs Jahren sind die Bananenpreise bereits gesunken. Zu Lasten der letzten Glieder in der Kette: der Arbeiter*innen in Ernte und Verpackung sowie der bananenproduzierenden Kleinbauern, kritisiert die Dachorganisation lateinamerikanischer Gewerkschaften (COLSIBA).

»Die Löhne reichen heute schon nicht aus, um die Kosten für Nahrung, Bildung und Gesundheit zu decken. Ein Leben in Würde ist kaum mehr möglich«, kritisiert Didier Leitón von der Gewerkschaft der Landarbeiter (SITRAP) in Costa Rica. Er prognostiziert Entlassungen sowie den Verlust mühsam erkämpfter Sozialleistungen und weist darauf hin, dass in der Pandemie Arbeitsrechtsprozesse ohnehin schon hinten angestellt werden. »Etliche Verfahren wurden wegen Corona auf 2021 verschoben, Recht für die Arbeiter hat keine Priorität, Entlassungen einfacher«, so der Mann aus Siquierres, der Bananendrehscheibe Costa Ricas.

In dieser Situation trifft die angekündigte Preisabsenkung die Branche hart. In Kolumbien sind sich Gewerkschaften, Kleinbauern, Plantagenbetreiber und Exporteure einig, so Torres. »Vom Aldi-Argument, dass die Transportkosten aufgrund des Erdölpreisverfalls gesunken sind, spüren wir nichts. Spürbar sind jedoch steigende Preise für Kartonagen, Pflanzenschutzmittel und Exportgebühren«, kritisiert die 44-Jährige. Gemeinsam mit anderen Organisationen bereitet sie Informationsveranstaltungen auch in Deutschland vor.

Auf Widersprüche wie die Tatsache, dass ein Kilo Bananen im deutschen Supermarkt schon für weniger als einen Euro zu haben ist, während Äpfel aus lokaler Produktion meist mehr als zwei Euro kostet, will sie dabei hinweisen. Das kritisiert auch Pedro Morazán. »Warum ist eine Banane, die aus rund 11 000 Kilometer Entfernung nach Deutschland gekarrt wird, uns nicht mehr wert in Zeiten von Klimawandel und Corona-Pandemie?«, fragt der Volkswirt, der in Honduras geboren wurde. Er hält die Neuauflage des Preiskriegs um die Banane, die in Supermärkten als Lockangebot eingesetzt wird, für verfehlt und die Haltung der Aldi-Einkäufer für extrem widersprüchlich.

Im Januar hätten sich die Aldi-Verantwortlichen auf der grünen Woche in Berlin noch in einer Absichtserklärung verpflichtet, für faire Löhne und Einkommen in den globalen Agrarlieferketten einzutreten, die anvisierte Preissenkung für Bananen konterkariere das. Pleiten von Kleinbauern, wie es sie schon in Ecuador gibt, seien ebenso wie Entlassungen und die Erhöhung der Arbeitsnormen zu erwarten. Aus der Aldi-Pressestelle heißt es auf nd-Anfrage lediglich, dass »laufende Verhandlungen grundsätzlich nicht kommentiert« werden. Verwiesen wird jedoch darauf, dass sich sowohl Aldi Nord als auch Aldi Süd in internationalen Initiativen für existenzsichernde Löhne und Einkommen engagierten.

Ob bei Aldi, wie in der Branche bereits spekuliert wird, die Nachhaltigkeitsabteilung mit dem Einkauf nicht kommuniziere, fragt sich auch Morazán. Doch wichtiger ist ihm die Tatsache, dass auf dem Rücken der Produzenten ein Preiskrieg zwischen den großen Supermarktketten ausgetragen wird. »Schon mit zehn Cent mehr pro Kilogramm Bananen wären existenzsichernde Löhne in den Lieferländern Costa Rica, Kolumbien und Ecuador realistisch. Für die Kunden in Europa wäre das kaum spürbar«, argumentiert er. Die Aldi-Einkäufer agieren nach anderen Parametern. Sie drohen mit ihrer harten Verhandlungsstrategie eine soziale Spirale nach Unten in der ganzen Branche in Kraft zu setzen. »Warum?«, fragt sich Morazán. Diese Frage wird sich der deutsche Discounter künftig wohl öfter stellen lassen müssen.

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