Blankoscheck für BND

Rechtswidriges Gesetz wird auch in der Nachbesserung nicht verfassungskonform

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 4 Min.

»Besser geworden ist die BND-Gesetzesnovelle nach Vorlage der zweiten Entwurfsfassung leider nicht«, sagt André Hahn (Linke) am Montag dem »nd«. Der Referentenentwurf aus dem Bundeskanzlerinnenamt, der Expert*innenkreisen zur Verfügung gestellt wurde, war zuvor vom Internetportal netzpolitik.org veröffentlicht worden.

»Dem BND ist weiterhin all das erlaubt, was er bisher ohne Rechtsgrundlage oder im «Graubereich» bereits getan hat - nun allerdings legaldefiniert«, kritisiert Hahn.

Die massenhaften Datensammlungen sind einer systematischen Kontrolle durch das Parlament überwiegend entzogen, was nicht zuletzt an der Menge der gesammelten Daten liegt. Drei Datensätze pro Sekunde speichert der BND und sammelt so jeden Tag 270 000 Kommunikationsinhalte. Wer im Internet oder bei Telefonaten einen der vordefinierten Suchbegriffe, auch Selektoren genannt, benutzt, gerät unweigerlich in das digitale Raster des BND.

Zwar wird der Geheimdienst verpflichtet, die Daten deutscher Bürger*innen bei seinem Schleppnetzzug durchs Internet auszusparen und nur 30 Prozent des Internetverkehrs zu durchwühlen. Jedoch lässt sich aus den verbliebenen Daten, vor allem den anonym gespeicherten Metadaten weiterhin eine Menge ableiten, denn erst einmal sind die Daten gesammelt und werden durchsucht. »Aus Sicht der Menschenrechte irritiert die fehlende Bereitschaft der Bundesregierung, wenigstens diejenigen Mindeststandards beim Schutz der Pressefreiheit und des Kommunikationsgeheimnisses einzuhalten, die das Bundesverfassungsgericht der Großen Koalition vor wenigen Monaten ins Stammbuch geschrieben hat«, sagte der Vorsitzende der Gesellschaft für Freiheitsrechte GFF Ulf Buermeyer dem »nd«. Seine Organisation hatte Verfassungsbeschwerde gegen das 2016 in Kraft getretene BND-Gesetz eingereicht.

Für die Bundesregierung drängt die Zeit. Auch wenn das Verfassungsgericht eine Frist zur Nachbesserung bis zum 31. Dezember 2021 eingeräumt hat, um eine rechtlich tragbare Neuregelungen zu finden, bleiben effektiv nur noch sechs Monate bis zur letzten Sommerpause in dieser Amtszeit. Dem Kanzlerinnenamt ist weder an einer Verlagerung der Abstimmung in den Wahlkampf 2021 gelegen noch kann man davon ausgehen, dass Koalitionsverhandlungen bis zum Fristablauf abgeschlossen sein werden und das Parlament dann bereit für eine Abstimmung ist. »Dieser Gesetzentwurf ist eine Provokation für das höchste deutsche Gericht und zugleich eine Einladung, wiederum Verfassungsbeschwerde zu erheben«, sagt Buermeyer und stellt damit eine erneute Verfassungsbeschwerde in Aussicht.

Eine besondere Gefährdung bringt das BND-Gesetz in der kritisierten wie auch der novellierten Form für Journalist*innen mit sich. Lisa Dittmer, die als Referentin für Internetfreiheit bei der Organisation Reporter ohne Grenzen arbeitet, kritisiert die Überwachung ausländischer Journalist*innen, die der BND vornimmt und von der auch deutsche Medien betroffen sein können. »Die Bundesregierung muss sich klarer zum Schutz der Pressefreiheit bekennen,wenn sie ihrem Auftrag, ein verfassungskonformes BND-Gesetz vorzulegen, gerecht werden will«, fordert Dittmer.

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»Das ist sicher nicht das, was sich das Bundesverfassungsgericht unter einer verfassungsgemäßen Gesetzesnovelle vorgestellt hatte«, sagt der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser und spricht sich gegenüber dem »nd« für eine Überwachungsgesamtrechnung aus, bei der die Sicherheitsgesetze der unterschiedlichen Behörden auf ihre Wirksamkeit und Verfassungskonformität geprüft werden. Bis das geschehen ist, soll nach dem Willen der FDP ein »Moratorium für neue Sicherheitsgesetze« herrschen.

Konstantin von Notz sieht in dem noch aufzubauenden Kontrollrat des Parlamentes einen guten Ansatz, widerspricht aber den Überwachungsbefugnissen, die der BND im Bereich der Quellen-Telekomunikationsüberwachung erhalten soll. Nach Ansicht des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen sind diese »rechtlich nicht tragfähig« und daher abzulehnen. »Was für den Grundrechtsschutz von Ausländern im Ausland gilt, muss auch im Inland gelten.« Bei der Erarbeitung rechtsstaatlicher Standards, insbesondere im Bereich des Umgangs mit V-Leuten, wolle seine Fraktion das Verfahren konstruktiv begleiten. »Leider sieht es jedoch so aus, als wolle die Bundesregierung in Teilen wieder einmal hart an der Grenze des verfassungsrechtlich Möglichen kratzen«.

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