Kapital statt Geld auf Pump

Corona-Hilfen allein schützen kleine und mittlere Unternehmen nicht vor der Pleite

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Als erster deutscher Konzern wurde Tui im Frühjahr von der staatlichen Förderbank KfW mit einem Darlehen über 1,8 Milliarden Euro unterstützt. Ende September kam für den weltgrößten Reiseanbieter eine Anleihe hinzu, die der Bund in eigene Anteile an den Hannoveranern umwandeln kann. Vergangene Woche wurde nun in Berlin ein drittes Hilfsprogramm beschlossen. Wieder geht es um Eigenkapital: Das Tui-Kapital wird durch eine in Aktien wandelbare Einlage des staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) um 420 Millionen Euro aufgestockt. Dabei ist Tui kein Einzelfall. Mindestens 30 Unternehmen bitten den Bund um einen Einstieg. Auch wenn das Bundeswirtschaftsministerium offiziell keine Namen nennt, wird doch eine Gemeinsamkeit deutlich: Geholfen mit frischem Eigenkapital wird nur den Großen.

Hinreichendes Eigenkapital ist die Voraussetzung, um eine Pleite von Tui und Konsorten zu verhindern. Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Insolvenzordnung liegt nämlich eine insolvenzrechtliche Überschuldung vor, wenn das Vermögen einer Firma, also im Wesentlichen das Eigenkapital, die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Dann droht der Konkurs.

Ob nun die Rettung von Tui, Lufthansa oder ThyssenKrupp zweckmäßig ist, sei dahingestellt. Es fällt aber auf, dass die milliardenschweren Corona-Hilfen, die Bund und Länder bereitstellten, für kleine und mittelständische Unternehmen lediglich Zuschüsse und Kredite vorsehen. Bei Letzteren muss dann sogar noch die jeweilige Hausbank mitspielen, da die KfW-Hilfskredite nicht direkt von der staatlichen Förderbank vergeben werden. Nicht jede Bank, berichten Verbraucherschützer, ist bei der Weitergabe der KfW-Gelder kulant. Viele Institute verkaufen lieber eigene Produkte. Auch von den Zuschüssen profitieren nicht alle gleich. So erhält die Gastronomie für den Ausfall der Erlöse eine direkte Zahlung im Umfang bis zu 75 Prozent des Umsatzes im Vorjahresmonat - ohne Rückzahlungspflicht. Gleichzeitig werden Friseure oder Einzelhändler von den Ämtern bedrängt, die Hilfen aus dem ersten Lockdown nun zurückzuzahlen.

Folglich könnten nach Schätzungen zufolge bis zu 20 Prozent der kleineren Firmen untergehen, wenn die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wieder endet. Das Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung Safe sieht daher Handlungsbedarf, sogar über Deutschland hinaus. So haben sich auch die anderen Regierungen in der EU bei ihren Rettungspaketen darauf konzentriert, Firmen mit Krediten zu helfen. »Kurzfristig garantiert das zwar Liquidität, aber mittel- bis langfristig besteht nicht nur die Gefahr einer Überschuldung, sondern auch die Bankenstabilität ist bedroht«, warnt Safe-Direktor Jan Pieter Krahnen vor einer Wirtschaftskrise. Es sei wichtig, vor allem kleine und mittlere Unternehmen in Corona-Zeiten zu stärken.

»Um das zu erreichen, bietet sich ein Pandemie-Beteiligungsfonds für Unternehmen an, den wir bei Safe als ›European Pandemic Equity Fund‹ entwickelt haben«, sagt Krahnen. Die Kernidee des Fonds zielt auf Eigenkapitalhilfen für Unternehmen ab, die etwa in Form von Zuwendungen geleistet werden könnten. Der Staat soll also auch bei kleinen und mittleren Betrieben zumindest kurzfristiger Eigentümer werden, um diese während der Coronakrise vor einer Pleite zu retten. Später könnte die Rückzahlung über eine Besteuerung geschehen.

Der Pandemie-Beteiligungsfonds EPEF richtet sich damit speziell an kleine und mittlere Unternehmen, die bisher profitabel wirtschafteten und vermutlich auch nach der Coronakrise wieder profitabel sind, aber bisher keinen Zugang zu den Kapitalmärkten hatten. Über die Eigenkapitalinvestition in diese Unternehmen werden sowohl Risiken als auch perspektivische Gewinne gemeinschaftlich geteilt. »Der Vorteil dabei ist doppelter Natur«, erklärt Krahnen. »Unternehmen müssen nicht zwangsweise noch größere Schulden aufnehmen und hätten über den EPEF zugleich wieder Anreize für Investitionen, die den wirtschaftlichen Aufschwung mittragen können.«

Rudolf Hickel hält den Beteiligungsfonds »für eine brauchbare Idee«. Mit der Kapitalausstattung selbst von kleinen Personengesellschaften sollten jedoch staatliche Auflagen und Kontrollen verbunden werden, schlägt der Ökonom an der Universität Bremen auf Anfrage des »nd« vor. Hickel plädiert zudem dafür, die spätere Rückzahlung des Kapitals an eine einmalige Vermögensabgabe zu koppeln.

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