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Joachim Löw räumt auf
Die Position des Bundestrainers beim DFB ist trotz berechtigter Kritik gefestigt
So selbstbewusst hat man Joachim Löw schon länger nicht mehr gesehen. Am Freitagabend, nach der in Zürich vorgenommenen Auslosung der Qualifikationsgruppen für die Weltmeisterschaft 2022 in Katar, verschickte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) eine Videobotschaft. »Wir gehen als großer Favorit ins Rennen«, sagte Bundestrainer ruhig und entschlossen. Dann sprach er ein wenig über die Gegner Rumänien, Island, Nordmazedonien, Armenien und Liechtenstein, um dann das Ziel zu formulieren: »Natürlich ist unser Anspruch, dass wir die Gruppe gewinnen.« Angesichts der Konkurrenten in der Gruppe J wäre alles andere auch absurd, zumal sich nur der Gruppensieger direkt für das nach wie vor sehr umstrittene Turnier im Wüstenemirat qualifiziert.
Dass es Löw wahrlich nicht an Selbstbewusstsein fehlt, war ein paar Stunden zuvor zu erleben. Er hatte zu einem virtuellen Pressegespräch geladen. »Es war dem Bundestrainer ein persönliches Anliegen, vor der Gruppenauslosung Stellung zu beziehen«, eröffnete Jens Grittner die einstündige Frage-Antwort-Runde mit rund 30 Journalisten. Die Wortwahl des Pressesprechers der Nationalmannschaft passte perfekt. Denn Löw brachte vor allem sich in Stellung. Dass er bei seinem ersten Auftritt drei Wochen nach der historischen Niederlage gegen Spanien nicht ganz so souverän auftrat, lag wohl an der Dimension der Diskussionen und Kritik nach dem 0:6 von Sevilla. Aber Zweifel daran, ob er noch der richtige Bundestrainer ist, ließ er nicht aufkommen. Und recht deutlich wurde zudem, wie es um die Machtverhältnisse im DFB steht.
Bevor Fragen gestellt werden konnten, wollte Löw »vorweg einiges ins richtige Licht rücken«. Genau genommen, tat er es, aus seiner Position gesehen, die ganze Zeit. »Wer mich kennt, der weiß, dass ich mich immer konstruktiver Kritik stelle«, begann der Bundestrainer. Auf durchaus berechtigte Beanstandungen am Spiel und an Ergebnissen der deutschen Nationalmannschaft zeigte er aber immer nur eine Reaktion, verschieden formuliert. »Wir sind absolut überzeugt von unserem Weg.« Oder: »Eines ist klar - wir folgen unserer roten Linie.«
Wenn Löw im Nebensatz davon sprach, »selber viele Fehler gemacht« zu haben, blieben diese unerwähnt. Auch auf Nachfrage. Es muss also reichen, zu wissen, dass sich Löw und sein Trainerteam »ständig hinterfragen und sehr, sehr selbstkritisch sind.«
Etwas länger skizzierte der Bundestrainer den Weg seines Teams nach dem Umbruch, der dem Vorrundenaus bei der WM 2018 gefolgt war. Und zwar so: »Wir haben in anderthalb Jahren vieles gut gemacht. 2019 war ein gutes Jahr, die Mannschaft hat sich sehr, sehr gut entwickelt.« Dass trotz sieben Siegen in neun Spielen nur das 3:2 im März 2019 gegen die Niederlande wirklich mutmachend gut war oder die problemlose EM-Qualifikation gegen Gegner wie Nordirland, Estland oder Belarus eine Pflichtaufgabe ist? Egal, wenn es hilft, ist Fußball eben Ergebnissport. Dass die »Entwicklung 2020 etwas stehen geblieben« ist, schob Löw auf die Coronapause und dadurch fehlende Trainingseinheiten. Dass Gegner wie die Schweiz oder die Türkei, gegen die es in vogelwilden Spielen nur zu Unentschieden gereicht hat, die gleichen Probleme hatten? Egal - und vergessen. Gleiches gilt für die Partien gegen die Ukraine und Tschechien, die nur knapp und mühevoll gewonnen werden konnten.
Wer den seit 15 Jahren amtierenden Bundestrainer kennt, konnte keine andere Art der Aufarbeitung erwarten. Interessant war, wie offensiv Löw in der jetzigen Krise sich und seine Position verteidigt. »Maßlos enttäuscht« sei er vom DFB, über den »Interna und Unwahrheiten verbreitet« wurden. Und er verlangte »Zusammenhalt und Vertrauen«. Die wortgleiche Forderung verbreitete nach der Gruppenauslosung zur WM 2022 und nach dem Bundestrainer DFB-Präsident Fritz Keller: »Nur so ist Erfolg möglich.« Noch einen Tag vor Löw hatte Oliver Bierhoff zur Lage des Nationalteams gesprochen. Seine Worte waren inhaltlich identisch mit Löws Analyse. Kein Wunder, dass der DFB-Direktor sich mit folgenden Worten verabschiedete: »Jogi Löw ist der richtige Trainer.« Dementsprechend wundert es ebenso nicht, wie sicher sich Löw seines Amtes ist: »Ich weiß, wie die entscheidenden Leute darüber denken.« Ein unantastbarer Bundestrainer in einem vom Führungsduo des Nationalteams hilflos abhängigen Verband ist keine gute Erfolgsbasis.
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