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Straßen sind nicht nur für Autos da
Der ADAC wirbt bei der Verkehrswende in Berlin für ein Nebeneinander aller Verkehrsmittel
Pop-up-Radwege, ein Volksbegehren für eine autofreie Innenstadt und eine Verkehrssenatorin, die ab 2030 keine Verbrennungsmotoren mehr innerhalb des S-Bahnrings fahren lassen will: Dem Auto geht es in Berlin an den Kragen. Volker Krane, Vorstand beim Berlin-Brandenburgischen Verband des Autolobbyisten ADAC, findet die Verkehrspolitik in der Hauptstadt deshalb »zu ideologisch«. »Die urbane Mobilität der Zukunft wird nicht ohne Auto auskommen«, sagt er bei einem Pressegesprächs am Mittwoch.
Die Existenzberechtigung des Autos habe sich nicht zuletzt in der Corona-Pandemie gezeigt, meint er. Der ADAC hat in einer nicht-repräsentativen Umfrage 120 Berliner unter anderem dazu befragt, wie sich die Pandemie auf ihr Mobilitätsverhalten auswirkt. »Strukturell ist der öffentliche Personennahverkehr nicht besonders Pandemie geeignet«, fasst Krane die Ergebnisse zusammen. Während 24 Prozent der Berliner in der Umfrage angaben, das Auto mehr zu nutzen, fährt rund ein Drittel der Befragten weniger mit den Angeboten des Öffentlichen Personnennahverkehrs. Dass viele in Pandemie-Zeiten lieber Bus und Bahn meiden, zeigt sich auch in den Zahlen des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg. Im Schnitt sind die Fahrgastzahlen bei allen Verkehrsmitteln im November im Vergleich zum Vorjahr um rund 40 Prozent gesunken (»nd« berichtete).
Der ADAC ist überzeugt, dass die Berliner auch nach der Pandemie weiter mit dem Auto fahren wollen. In der von Umfrage der Lobbyisten gab ein Drittel der Befragten an, dass es ihnen sehr wichtig sei, das auch in Zukunft in Berlin tun zu dürfen. Beim Thema Auto würde die Landespolitik aber polarisieren, kritisiert der ADAC-Vorstand. »Wer das Auto gegen das Fahrrad stellt, stellt auch Radfahrer gegen Autofahrer«, so Krane. Statt eine »Aktivistenpolitik« gegen das Auto zu betreiben, müsse die Politik auf das gleichberechtigte Nebeneinander aller Verkehrsmittel setzen. Matthias Regner, Leiter für Verkehr und Technik beim ADAC in der Hauptstadtregion, führt aus: »Die Menschen müssen selbst entscheiden können, wie sie sich fortbewegen.«
Langfristig sei der ADAC zwar für die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs. »Ein Verbrenner kann aber ganz toll sein, wenn man es richtig macht«, so Regner. Er denkt dabei an synthetische Kraftstoffe, die - solange der Strom für die Elektromobilität noch nicht vollständig regenerativ gewonnen wird - eine gute Übergangslösung seien. Verbrenner bis 2030 aus der Innenstadt zu verbannen, so wie es Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) will, sei deshalb »unsinnig«, meint er.
Dem ADAC seien aber nicht nicht nur die motorosierten Verkehrsteilnehmer wichtig. Volker Krane erklärt: »Bei Fahrradstraßen würden wir uns wünschen, dass es viel mehr werden.« Es gehe nicht an, dass Straßen, die für Radfahrer reserviert sind, von Autos durchfahren werden, kritisiert er. Wo das der Fall ist, wie bei der Wilmersdorfer Prinzregentenstraße, sei es eine ordnungspolitische Aufgabe, die Vorfahrt für Radfahrer durchzusetzen. Bei den im im Zuge der Corona-Pandemie entstandenen Pop-up-Radwegen, für die Autospuren umgewidmet wurden, ist der ADAC hingegen skeptisch. Manche dieser Radwege seien sinnvoll andere hingegen nicht, heißt es am Mittwoch vage. Zu den Plänen, diese auch nach der Pandemie bestehen zu lassen, sagt Krane: »Die historisch einmalige Chance sollte nicht dafür ausgenutzt werden, Fakten zu schaffen.« Denn die Ergebnisse der ADAC-Umfrage würden auch einen Hinweis darauf geben, wie weit die Meinungen bei diesem Thema auseinander gehen. Auf die Frage, mit welcher Schulnote die Berliner Radwege als Maßnahme für eine Verkehrswende beurteilen, antworteten 23 Prozent mit der Note eins - und ebenso viele mit der Note sechs.
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