Links? Rechts? Nach oben!

Berliner Grüne wählen Bettina Jarasch zur Spitzenkandidatin und bekräftigen ihren Führungsanspruch

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Berliner Grünen wollen bei den Abgeordnetenhauswahlen im September nächsten Jahres stärkste Kraft werden. Das unterstrich der derzeitige Junior-Partner in der rot-rot-grünen Koalition bei seinem Online-Parteitag am Samstag. »Ich möchte die erste Frau und die erste grüne Regierende Bürgermeisterin werden«, sagte Bettina Jarasch, die mit 96,6 Prozent zur Spitzenkandidatin gekürt wurde. 142 Delegierte stimmten für die 52-Jährige, die dem Realo-Flügel zugerechnet wird, fünf enthielten sich, Gegenstimmen gab es keine. Andere Bewerber*innen als die flüchtlingspolitische Sprecherin gab es nicht.

Inhaltlich wollen die Grünen vor allem mit den Themen Verkehrswende und soziales Wohnen punkten. »Ich will als Bürgermeisterin die Weichen dafür stellen, dass Berlin eine klimaneutrale Stadt wird«, so Jarasch. Um die Mobilitätswende voranzutreiben, will sich die Spitzenkandidatin für kostengünstigere Busse und Bahnen, den Schienenausbau, sichere Kreuzungen und mehr Radwege in der Stadt einsetzen. »Mobilität ohne eigenes Auto muss endlich auch jenseits des S-Bahn-Rings möglich sein.«

Rote Brause - der Berlin-Podcast

Was war letzte Woche noch mal wichtig in Berlin? Plop und Zisch! Aufgemacht! Der Podcast „Rote Brause“ liefert dir alle wichtigen News aus der Hauptstadtregion in nur 15 Minuten. 

Um diese Ziele zu erreichen, gab sich Jarasch am Samstag als Vermittlerin, die unterschiedliche Menschen und Ansätze zusammenführen kann. So gebe es Industriearbeiter*innen, die sich für Klimaschutz einsetzten, Autofahrer*innen, die Fahrradwege wollen, sowie Millionäre, die sich für eine Vermögenssteuer einsetzten. Hier will Jarasch Bündnisse schmieden, auch jenseits der üblichen grünen Klientel. Beim Klimawandel brauche es sozialverträgliche und »radikal-vernünftige« Lösungen. Dafür müsse man Kompromisse eingehen, »auch schmerzhafte«, kündigte sie an. »Es geht um nichts weniger, als unseren Planeten zu retten.«

Umfragen zufolge haben die Grünen gute Chancen, 2021 erstmals stärkste Partei zu werden. Seit Monaten liegen sie auf Platz eins, dicht gefolgt von der CDU; SPD und Linke teilen sich den dritten Platz. Parteichef Werner Graf warf CDU und SPD mangelnde Ambitionen bei der Verkehrswende und dem Ausbau des ÖPNV vor. »Die CDU fantasiert von Magnetschwebebahnen«, so Graf, »die SPD will alles für alle, und zwar umsonst«, sage aber nicht, wie das finanziert werden soll. »Das ist Augenwischerei, das ist unseriös.«

Auch Jarasch grenzte sich in ihrer Rede von der CDU ab und lobte die Erfolge der rot-rot-grünen Regierung in den vergangenen vier Jahren. Rot-Rot-Grün habe Berlin gutgetan, »aber das reicht uns noch lange nicht«. Insbesondere beim Thema Wohnen ging sie auf Abstand zu den Sozialdemokrat*innen, deren Spitzenkandidatin Franziska Giffey in der vergangenen Woche angekündigt hatte, den Mietendeckel nicht verlängern zu wollen.

Nach Ablauf der fünf Jahre geltenden Regel müsse man »zu anderen Wegen kommen, damit eben Investoren nicht sagen, ich gehe woanders hin«, hatte die SPD-Landesvorsitzende erklärt. »Investoren und Vermieter sind willkommen – wenn sie für faire Mieten sorgen«, sagte demgegenüber die grüne Spitzenkandidatin und bezeichnete Wohnen als Grundrecht.

Sie zeigte sich gesprächsbereit, auch gegenüber umstrittenen Wohnungskonzernen wie Deutschen Wohnen und Akelius, betonte aber, dass diese ihre Praktiken ändern müssten.
Auch mit der Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« will Jarasch reden, »denn sie wollen so wie wir das Wohnen der Immobilienspekulation entziehen«.

Bislang sind die Linken die einzige Partei, die das Vorhaben, Immobilienkonzerne mit mehr als 3000 Wohnungen zu vergesellschaften, explizit unterstützt. Die Grünen sprachen sich am Samstag, ähnlich wie die SPD, im Kampf gegen Wohnraummangel und steigende Mieten vor allem für mehr Neubau und Nachverdichtung aus. Die Hälfte der Wohnungen müsse aber gemeinwohlorientiert sein, sagte Jarasch. Energetische Sanierungen, die für eine klimaneutrale Stadt unabdingbar seien, müssten zudem sozialverträglich gestaltet werden, damit Mieter*innen dadurch nicht verdrängt werden. »Die Lasten von energetischen Sanierungen müssen solidarisch verteilt werden.«

Beim Thema Coronakrise forderte Jarasch, die Pandemie als Chance zu nutzen, um ökologischer und gerechter aus der Krise herauszukommen. Als Beispiel nannte sie eine Bindung von Investitionen und Wirtschaftshilfen an nachhaltige Transformationen von Unternehmen sowie die Digitalisierung der Verwaltung. Benachteiligte Gruppen müssten unterstützt und gefördert werden. »In meiner Vision von Berlin gibt es mehr geflüchtete Jungunternehmer, mehr ältere Models auf dem Laufsteg, mehr behinderte Menschen in der Verwaltung und mehr muslimische Lehrerinnen.«

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop und Fraktionschefin Antje Kapek, die zuvor als aussichtsreichste Bewerberinnen gehandelt worden waren, gratulierten Jarasch zu ihrem »Spitzenergebnis« und freuten sich über die »geballte Frauen-Power« im Wahlkampf. Für den »Marathon ins Rote Rathaus« in den nächsten zehn Monaten überreichte Kapek ein Paar Laufschuhe. »Um das Rote Rathaus zum Grünen Rathaus zu machen«, so Pop.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.