Die Uerdingisierung der Bundesliga

Sonntagsschuss

Am vergangenen Montag hat das Präsidium der Deutschen Fußball Liga verkündet, wie die im Zuge der Corona-Krise schwindenden Fernsehgelder - das eigentliche Lebenselixier der Profivereine - künftig verteilt werden sollen. Die nicht nur von Seiten der Fans dringend angemahnten Reformen blieben aus. Weshalb die Großen (Bayern, Dortmund etc.) auch gar nicht erst so taten, als seien sie mit den Ergebnissen unzufrieden.

Wie die Einnahmenseite künftig geregelt wird, steht also fest. Was die Ausgaben angeht, wurde nichts beschlossen. Das wiederum könnte Unvoreingenommene durchaus überraschen. Schließlich ist es beim Geldsparen ja überall das Gleiche. Wenn ich 80 statt 100 Euro einnehme, aber weiterhin 99 statt 79 ausgebe, habe ich ein Problem. Gilt für Weihnachtseinkäufe wie für Spielergehälter.

Nun ist auch mir bewusst, dass man bestehende Verträge nicht einfach so verändern kann. Und mit der Bereitschaft der Profis, in diesen Zeiten freiwillig auf ein paar hunderttausend Euros zu verzichten, scheint es auch nicht weit her zu sein. Dass aber in den letzten neun Monaten offensichtlich niemand den Versuch unternommen hat, ernsthaft auszuloten, wie die Gehälter künftig reduziert werden können, ist fast schon bösartig. An dieser Stelle hörte man am Montag viele Sätze, die mit einem »man sollte/man könnte« eingeleitet wurden. Einen erhobenen Zeigefinger vom Chef gab es auch. Manche Vereine, so Geschäftsführer Christian Seifert, hätten in punkto Spielergehälter »noch nicht genug gemacht«. Stimmt. Und jetzt?

Wie es endet, wenn die Ausgabenseite ein Fass ohne Boden bleibt, sieht man derzeit am Beispiel des bedauernswerten Drittligisten Krefelder FC Uerdingen. Wenn die Einnahmen nur dürftig sprudeln, ist die Bereitschaft groß, sich demjenigen an den Hals zu werfen, der neues Geld verspricht. Koste es, was es wolle. Im Falle der Krefelder kostet die Tatsache, dass man sich 2016 trotz aller Warnungen auf Mikhail Ponomarev eingelassen hat, gerade ziemlich viel.

Der »Investor«, der 97,5 Prozent an der aus dem Verein ausgegliederten Fußball GmbH hält, hat seither viele Millionen in den Verein investiert. Und weil Menschen, die sich gerne als »Macher« bezeichnen lassen, gerne mal meinen, dass viel Geld jeden Sachverstand wettmacht, wurden die Millionen zu einem großen Teil verbrannt. Für altersschwache Ex-Bundesligaspieler beispielsweise. Derzeit amtiert mit Stefan Krämer ein Mann als Trainer, den Ponomarev 2019 schon mal entlassen hat.

Überraschenderweise blieb der sportliche Erfolg aus, seit zwei Monaten sollen die Spielergehälter nicht mehr überwiesen worden sein. Auch die Stadionmiete für die Düsseldorfer Arena blieb man schuldig. Wo das ganze Geld geblieben ist, das einem kompetent geführten Verein vielleicht wirklich den Durchmarsch in die erste Liga ermöglicht hätte, offenbaren gerade die Streitwerte bei den Arbeitsgerichtsprozessen, die vorzeitig geschasste Ex-Spieler angestrengt haben: Offenbar hat man beim KFC in der dritten und vierten Liga in Dimensionen verdient, die die meisten Zweitligisten vor Neid erblassen lassen. Womit auch das Rätsel geklärt wäre, was Ex-Nationalspieler Kevin Großkreutz dazu getrieben haben könnte, in Uerdingen anzuheuern (und dort meist lustlos vor sich hinzukicken). Ähnlich erfolgreich agierte in Uerdingen auch mal ein paar Wochen lang Stefan Effenberg als Manager. Manchmal genügt Namedropping, um ein Problem aufzuzeigen.

Um zu wissen, dass das Experiment mit Ponomarev schiefgehen würde, musste man übrigens schon 2016 nicht prophetisch begabt sein. Der Mann hatte vorher schließlich schon zwei Eishockeyvereine und einen englischen Fußballverein zugrunde gerichtet.

Ponomarev und Ismaik - das ist der Mann, der den TSV 1860 München zum Gespött gemacht hat -, solche Leute gibt es wie Sand am Meer. Sie alle warten darauf, dass die Ligen eins und zwei die 50+1-Regel abschaffen, die derzeit noch den Einfluss von Sponsoren (mehr schlecht als recht) begrenzt. Wenn es nicht bald gelingt, die Spielergehälter herunterzufahren, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Branche die Zugbrücke herunterlässt. Irgendwo muss das Geld ja herkommen.

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