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Verdi-Chef: Wollen zwei Euro Mindestlohn mehr - und zwar sofort
Gewerkschaftschef fordert auch Abschaffung von Ausnahmen für Langzeitarbeitslose und Jugendliche
Berlin. Die Gewerkschaften machen Druck auf die Bundesregierung, den Mindestlohn in Deutschland möglichst zügig auf 12 Euro pro Stunde zu erhöhen. »Um den Mindestlohn armutsfest zumachen, brauchen wir die Unterstützung des Gesetzgebers«, sagte der Vorsitzende des Deutsche Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Verdi-Chef Frank Werneke warf Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Trippelschritte beim Mindestlohn vor.
Die SPD hatte am Wochenende deutlich gemacht, dass sie 12 Euro Mindestlohn will. Zum 1. Januar steigt der Mindestlohn von 9,35 auf 9,50 Euro brutto. Zunächst hatte Finanzminister Olaf Scholz in seiner Rolle als SPD-Kanzlerkandidat seine Forderung nach einer Höhe von 12 Euro bekräftigt. In einem dann veröffentlichten Interview versprach Heil Vorschläge für Januar, nach denen die Mindestlohnkommission ab 2022 nach den geänderten Kriterien verhandeln soll, so dass damit zwölf Euro erreicht werden.
Werneke sagte der dpa, Heils Einschätzung, dass der gesetzliche Mindestlohn deutlich steigen müsse, um ein Leben in Würde zu ermöglichen, sei richtig. »Allerdings ist jetzt politischer Mut gefragt«, forderte Werneke. »Anstatt sich mit Trippelschritten auf 12 Euro Stundenlohn zuzubewegen, muss der Mindestlohn einmalig vom Gesetzgeber um zwei Euro angehoben werden, damit Tariflöhne und Mindestlohn nicht weiter auseinanderlaufen.« Anschließend könne wieder das herkömmliche Verfahren angewendet werden.
Noch nicht veröffentlicht ist eine Evaluation des Mindestlohngesetzes, die Experten laut diesem Gesetz bis Ende 2020 vornehmen müssen. Die Gewerkschaften erwarten, dass der Evaluationsbericht Mindestlöhnverstöße auf breiter Front zeigt. Werneke sagte, »dass es viel kriminelle Energie gibt - mehreren hunderttausend Beschäftigten wird der gesetzliche Mindestlohn von ihren Arbeitgebern vorenthalten«.
Hoffmann forderte schärfere Kontrollen, »weil es immer noch viel zu viele Arbeitgeber gibt, die den Mindestlohn umgehen«. Das sei Gesetzesbruch. »Wir sind doch keine Bananenrepublik, wo Gesetze nicht eingehalten werden und Leute um ihren Lohn betrogen werden.« Geltende Ausnahmen vom Mindestlohn, etwa für Langzeitarbeitslose und für Jugendliche unter 18, seien wirkungslos. »Deshalb sollten diese Regeln ersatzlos gestrichen werden.« Insgesamt sei der Mindestlohn ein großer Erfolg gewesen.
Hoffmann zeigte sich zufrieden damit, dass die Mindestlohnkommission in ihren Empfehlungen die Anpassungen der Lohnuntergrenze auf Basis der zurückliegenden Tarifabschlüsse vornimmt. Sinnvoll sei es aber, dabei die allgemeine Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt genauer anzuschauen. »So könnte die Attraktivität von Bereichen mit Fachkräftemangel auch über höhere Mindestlöhne gesteigert werden.«
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Hoffmann: »Dass Löhne immer auch eine makroökonomische Funktion zur Stabilisierung von Einkommen und damit auch zur Stabilisierung unserer gesamtwirtschaftlichen Lage haben, sollte die Mindestlohnkommission insgesamt stärker berücksichtigen.« Bei den aktuellen Anhebungsschritten sei dies bereits gelungen. Zum 1. Juli 2021 wird der Mindestlohn auf brutto 9,60 Euro pro Stunde, zum 1. Januar 2022 auf 9,82 und zum 1. Juli 2022 auf 10,45 Euro angehoben. dpa/nd
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