»Es regnete verkohlte Blätter«

Ein Jahr nach den Jahrhundertfeuern erholt sich der australische Busch langsam

  • Barbara Barkhausen, Sydney
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Geschäfte in Blackheath, einem kleinen Ort in den Blue Mountains westlich von Sydney, sind zum Bersten voll. Alle wollen vor Weihnachten noch ein paar Einkäufe erledigen. Covid ist besiegt, und der feuchte Sommeranfang verspricht weniger Brände. Noch vor einem Jahr war die Situation eine völlig andere. »Der 20. Dezember war der schlimmste Tag für Blackheath«, erinnert sich Kathy Butler, die seit zwölf Jahren in dem Ort wohnt. Mehrere große Feuersbrünste hatten sich vereint und bedrohten die 4000-Seelengemeinde. »Der Rauch war so dicht, dass man ohne Maske nicht mehr atmen konnte«, sagt die Australierin, die als Rangerin für den Blue Mountains Nationalpark arbeitet.

Auch Trevor Evans, der rund 30 Minuten Fahrt von Blackheath entfernt in Lithgow den kleinen Tierpark Secret Creek Sanctuary betreibt, stand vor einem Jahr vor einer Feuerfront. »Wir hatten davor über Monate hinweg mit der Dürre gekämpft und alles war staubtrocken«, erinnerte er sich. Evans gelang es, sämtliche seiner Tiere im Park zu retten und kurzfristig in einen größeren Tierpark nach Sydney umzusiedeln. Auch seine Töchter und seine Frau evakuierten mit.

Doch als am 21. Dezember schließlich zwei Feuerfronten hinter seinem Haus zusammentrafen, glaubte er bereits, alles andere verloren zu haben. »Die Feuerwehr hatte uns schon aufgegeben, und dann ging uns auch noch das Wasser aus«, sagt er. Einmal wäre er beinahe von einem umfallenden Baum getroffen worden; sein Schwiegersohn atmete zu viel Rauch ein und musste wiederbelebt werden. »Es war wirklich schlimm, aber letztlich konnten wir das meiste außer ein paar Werkzeugschuppen, Zäunen und Autos retten.«

Auch Kathy Butler schaudert noch immer bei dem Gedanken an die Feuer. Sie seien »absolut furchteinflößend« gewesen, berichtet sie und erinnert sich daran, wie es »verkohlte Blätter regnete«. Doch die Menschen seien damals füreinander da gewesen wie noch nie zuvor. »Die Gemeindehalle war Tag und Nacht geöffnet, in meiner Straße arbeiteten alle Nachbarn zusammen, um die Häuser so feuersicher zu machen wie nur möglich.« Während die einen brennbares Material wie Blätter wegschafften, kochte eine Nachbarin für die gesamte Straße. »Die Katastrophe hat uns näher zusammengebracht«, sagt Butler. »In den Wochen danach feierten wir ein Fest - alle weinten und umarmten die Feuerwehrleute, die unser Dorf gerettet haben.«

Blackheath selbst überstand die Feuer verhältnismäßig gut. Doch der Blue-Mountains-Nationalpark wurde schwer getroffen. Rund eine Million Hektar verbrannten, fast 70 Prozent des Parks wurden teilweise oder völlig von den Flammen überrannt. Weit über 100 Millionen Tiere kamen in den Flammen ums Leben, verloren ihr Habitat oder verhungerten im Nachhinein. »Feuer gehören zur australischen Landschaft, sie sind Teil des Lebenszyklus«, sagt Kathy Butler. Doch die Mega-Feuer, die 2019/20 über Monate wüteten, seien »nicht normal« gewesen. In ganz Australien verbrannten über 17 Millionen Hektar Land; rund drei Milliarden Tiere und über 30 Menschen kamen ums Leben.

Doch während die Tierwelt nach wie vor leidet, zeigt der australische Busch seine »erstaunlichen Fähigkeiten«, wie Butler sagt. »Alle ikonischen australischen Pflanzen brauchen Feuer und teilweise auch den Rauch eines Buschfeuers, um sich zu vermehren: Eukalypten, Akazien, Waratahs, Banksien und Grasbäume.« All diese einheimischen Pflanzen hätten ihre eigene Art und Weise entwickelt, um sich an Feuer anzupassen, erklärt die Ökologin.

Tatsächlich sprießt es inzwischen an fast jeder Ecke wieder grün. Die Eukalypten sehen »haarig« aus - sie lassen Äste mit grünen Blättern aus dem Stamm heraussprießen, um die Photosynthese der verbrannten Baumkrone zu unterstützen. Die Grasbäume stehen in voller Blüte, andere Büsche wachsen bereits aus dem Boden heraus nach. Samen, die die Hitze eines Feuers brauchten, um sich aus ihrer Kapsel zu befreien, haben Wurzeln geschlagen. Kleine Sämlinge haben sich ihren Weg aus der Erde gebahnt. Obwohl sich die Natur »widerstandsfähig« zeigt, warnt Butler vor den Bedingungen, die der Klimawandel schafft. Extreme Trockenheit und mehr heiße Tage könnten immer häufiger Feuer mit sich bringen. Das würde letztendlich die Biodiversität gefährden.

Auch der Tierschützer Evans beklagt den Verlust an Biodiversität. Im Wollemi-Nationalpark, der an sein Anwesen grenzt, habe es mit Sicherheit Spezies gegeben, »die noch nicht einmal entdeckt worden waren und die jetzt wahrscheinlich für immer verschwunden sind«. Seit den Feuern habe er beispielsweise auch keinen Leierschwanz mehr gesehen. Unzählige Gleitbeutler und Possums fand er verkohlt an Zäunen hängend, halb verbrannte Schlangen schauten aus dem Boden heraus. »In den Monaten nach den Feuern fanden wir immer wieder tote Vögel, die durch den Rauch noch lange danach verendeten«, erzählt er. Alle etwa 20 Koalas, die in der Wildnis hinter seinem Haus lebten, seien verschwunden.

»Die Bäume erholen sich schneller, aber die Tiere - das dauert länger. Ich würde sagen, mindestens 100 Jahre«, erklärt der Tierschützer. Besonders gefährdet seien die spezialisierten Tiere, die bestimmtes Futter und ein bestimmtes Habitat brauchen, wie die Koalas beispielsweise. So sehr sich Evans freut, dass nach dem Regen vieles nachwächst, so macht es ihm doch auch Angst für die Zukunft. »All die kleinen Tiere fehlen«, warnt er, »die Kaninchenkängurus, Wallabys und Nasenbeutler - diese kleinen Ingenieure des Busches, die das Unterholz klein halten.« Dies könne, sobald es wieder heiß und trocken wird und die Feuer zurückkommen, das Risiko eines erneuten Megafeuers erhöhen.

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