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Die Lehrkräfte sind reihenweise ausgefallen
Teil 3 unserer Serie über Menschen in Berufen, die die Coronakrise besonders trifft
Petra Seeger sagt, sie sei heilfroh, »dass jetzt die Geschwindigkeit herausgenommen wurde«. Hinter der Deutsch- und Ethiklehrerin am Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Gymnasium in Prenzlauer Berg liegt ein Jahr der Verunsicherung und Anspannung. Über 1100 Kinder und Jugendliche besuchen ihre Schule. Und zuletzt hatte sich die Corona-Lage immer stärker zugespitzt.
Seit der Einführung des Corona-Stufenplans der Senatsbildungsverwaltung stand das Gymnasium meistens auf der Warnstufe Orange. »Es war fast die Regel, dass mindestens eine Lerngruppe in Quarantäne war.« Was bedeutete, dass auch die Lehrkräfte reihenweise ausfielen, einige seien bis zu drei Mal in Quarantäne gewesen, berichtet Seeger. Bei der letzten Einstufungsrunde vor einer Woche wurde das Gymnasium schließlich auf die höchste Alarmstufe Rot gesetzt. »Wir hätten also sowieso in dieser Woche zum Hybridunterricht übergehen müssen«, sagt Seeger lächelnd. Die 63-Jährige wirkt gelöst an diesem Donnerstagnachmittag, dem zweiten Tag des erneuten Lockdowns.
»Schön, nicht? Ein tolles Schulgebäude«, sagt sie über den vor wenigen Jahren sanierten Backsteinbau an der Pasteurstraße - einen der beiden Standorte des Mendelssohn-Bartholdy-Gymnasiums. Jetzt wirkt das Haus wie ausgestorben. Für die Schüler gilt seit Mittwoch ohnehin Daheimbeschulung, aber auch fast alle der 100 Lehrkräfte arbeiten von zu Hause aus. Nicht so Petra Seeger. Als Oberstufenkoordinatorin hat sie vor Ort alle Hände voll zu tun.
Aber auch sie freut sich auf die am Montag beginnenden Weihnachtsferien. Die Arbeits- und Lernsituation sei zuletzt doch belastender geworden. Die mit über 30 Schülern vollgepackten Klassen, die Maskenpflicht, das Lüften, das Arbeiten im Durchzug - das alles habe an den Nerven gezehrt. »Es war kalt, wir alle waren erschöpft.«
Die gebürtige Görlitzerin sagt, sie habe in den vier Jahrzehnten ihrer Arbeit als Lehrerin schon einige anstrengende Schuljahre erlebt. Etwa die Zeit, als das Schulsystem Ost nach 1990 kassiert wurde. »Aber da konnte ich anders als in diesem Corona-Jahr wenigstens weiter halbwegs normal unterrichten.« In den Monaten seit der Komplettschließung der Schulen im März Schülern und Eltern zumindest »einen Ansatz von Normalität zu bieten«, sei ein enormer Kraftakt gewesen. »Die einzige Konstanz war ja, dass sich alles ständig ändert«, sagt Seeger auch mit Blick auf die immer neuen, häufig erst Freitagabend nach Dienstschluss verschickten Vorgaben der Bildungsverwaltung.
Nun geht also das Homeschooling, das inzwischen »schulisch angeleitetes Lernen zu Hause« heißt, in die nächste Runde. »Was digitale Unterrichtsformen angeht, bin ich sicher nicht die fitteste«, sagt Seeger mit sympathischer Offenheit. »Da muss ich den Hut ziehen vor den vielen jüngeren Kollegen, die hier wahnsinnig motiviert und engagiert sind.« Auch dank ihnen sei ihr Gymnasium unterm Strich gut aufgestellt, um durch den zweiten Lockdown zu kommen.
Und das Virus? Hat sie nie Angst gehabt, wenn sie in die Schule kam? »Klar hat man Angst. Viele haben ja auch von Anfang an klar gesagt, was dieses Virus bedeutet. Auch zu mir.« Sie selbst habe sich allein in den vergangenen Wochen zwei Mal testen lassen, auf eigene Kosten. »Die Praxis hat gut an mir verdient.« Das Ergebnis: jeweils negativ.
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