100 Festnahmen in Belarus bei Protesten gegen Lukaschenko

Oppositionsführerin Tichanowskaja fordert weitere EU-Sanktionen gegen das belarussische Regime

  • Lesedauer: 2 Min.

Minsk. Mehr als vier Monate nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Belarus haben tausende Regierungsgegner erneut gegen Staatschef Alexander Lukaschenko demonstriert. Bei dezentralen Protesten im ganzen Land wurden am Sonntag mehr als 100 Menschen festgenommen. »Jeder neue Protestmarsch hindert das Regime daran zu lügen und zu behaupten, dass die Proteste vorbei sind«, sagte die im Exil lebende ehemalige Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja in einem Video.

In der Hauptstadt Minsk formierten sich Protestgruppen unterschiedlicher Größe. Teils nahmen nur ein paar Dutzend Menschen an den Demonstrationen teil, teils waren es einige Hundert, wie eine Journalistin der Nachrichtenagentur AFP beobachtete. Polizisten patrouillierten mit Hunden durch die Straßen der Hauptstadt. Die Sicherheitskräfte stellten viele Wasserwerfer auf.

In Freiheit kam unterdessen am Sonntag die 42 Tage lang inhaftierte frühere Schönheitskönigin Olga Chischinkowa - die »Miss Belarus 2008« sagte, dass sie ungebrochen sei und das Land nicht verlassen werde. Die Demokratiebewegung hatte zu einem »Marsch des Volkstribunals« aufgerufen.

Die Regierung schloss unterdessen vorübergehend die Landesgrenzen - angeblich um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Seit Sonntag können belarussische Bürger das Land nicht mehr über die Landgrenzübergänge verlassen. Die Regelung betrifft auch Ausländer, die vorübergehend oder dauerhaft in Belarus leben. Die Behörden stellen die Grenzschließung als Maßnahme zur Eindämmung des Coronavirus dar. Oppositionelle sehen darin hingegen ein weiteres Mittel zur Repression.

»Den Protest sieht die ganze Welt«, sagte die Oppositionsführerin Tichanowskaja in ihrem Exil in der EU. Sie rief ihre Landsleute auf, weiter Verbrechen der Beamten zusammenzutragen, damit diese angezeigt werden könnten. Die Verantwortlichen, sagte sie, sollten über Interpol zur Fahndung ausgeschrieben werden. Die Listen seien auch wichtig, um weitere Sanktionen der Europäischen Union gegen Lukaschenkos Regime zu erwirken, sagte Tichanowskaja. Schon jetzt gelinge es dank der EU-Strafmaßnahmen, darunter Kontosperrungen und Reiseverbote gegen Funktionäre, den Geldfluss an Lukaschenko zu drosseln. 2021 werde das Jahr in Belarus für eine Wiederherstellung der Gesetze und der Gerechtigkeit, sagte sie.

Seit der Präsidentschaftswahl vom 9. August demonstrieren zehntausende Oppositionsanhänger in Belarus gegen den seit 1994 autoritär regierenden Staatschef Alexander Lukaschenko, dem sie massiven Wahlbetrug vorwerfen. Der Präsident weist die Rücktrittsforderungen zurück und hat lediglich Verfassungsreformen in Aussicht gestellt, deren Umfang nicht klar umrissen wurde.

Die belarussischen Sicherheitskräfte gehen hart gegen die Demonstranten vor, tausende wurden festgenommen und Berichten zufolge teils schwer misshandelt. Agenturen/nd

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