Aufstand der Krachmacher

Berufungsverfahren abgelehnt – Streit um neues Angebot für Ersatzräume

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.
Das alternative Jugendzentrum »Potse« in Berlin-Schöneberg erwartet eine baldige Räumung: »Das Berufungsverfahren des Potze e.V. ist vom Kammergericht Berlin abgelehnt worden. Damit ist das selbstverwaltete Jugendzentrum akuter denn je räumungsbedroht«, teilten die Jugendlichen am Sonntag mit. Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg hatte zuvor auf Herausgabe der Räume der »Potse« geklagt (»nd« berichtete).

Das Kollektiv des ältesten selbstverwalteten Jugendzentrums Berlins erwarte in den nächsten Wochen einen Brief des Gerichtsvollziehers mit dem Räumungsdatum, hieß es. Die seit zwei Jahren von Jugendlichen besetzte »Potse« wäre nach der Neuköllner Kiezkneipe »Syndikat« und dem queerfeministischen Hausprojekt »Liebig 34« in Friedrichshain das dritte linke Projekt innerhalb weniger Monate, das unter Rot-Rot-Grün geräumt würde.

Die Jugendlichen machen den Verantwortlichen von SPD, Linke und Grüne schwere Vorwürfe: »Über fünf Jahre ist schon bekannt, dass die Jugendzentren Drugstore und Potse aufgrund von Immobilienspekulation ihre Räume nach fast 50 Jahren Nutzung verlieren sollen«, heißt es in der Mitteilung.

Dennoch sei von Seiten des Landes Berlins kaum etwas unternommen worden, um die soziale Infrastruktur zu erhalten. »Teile der Landesregierung wie zum Beispiel der Finanzsenator Matthias Kollatz haben Lösungen bewusst und mutwillig sabotiert«, so das Kollektiv. Der SPD-Politiker hatte Ende Mai im Koalitionsausschuss einer Nutzung der als Alternativstandort gehandelten Finanzschule in der Potsdamer Straße eine Absage erteilt. Die Räume würden stattdessen für die Steuerprüfungsbehörde umgebaut, so Kollatz.

Tempelhof-Schönebergs Jugendstadtrat Oliver Schworck (SPD) zeigt sich angesichts der Mitteilung des Kollektivs erstaunt, schließlich stünde man aktuell kurz vor einer Lösung. »Wir haben einen Raum gefunden, in dem die Jugendlichen 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche Musik machen können«, sagt Schworck zu »nd«.

Zwar seien die Räumlichkeiten etwas kleiner und auch nicht im Bezirk, aber als Übergangslösung alternativlos. »Besser geht es nicht. Wir haben kein anderes Angebot.« Wo sich der Konzertraum genau befindet, will Schworck nicht verraten, er befinde sich jedoch »nicht weit außerhalb des S-Bahn-Rings«. Vor einer Woche hätten sich die Jugendlichen die Räume angeschaut, die sie voraussichtlich ab März nutzen könnten, bis das geplante »Haus der Jugend« gebaut sei. Nun warte er auf eine Entscheidung.

Ein wirkliche Wahl scheinen die Jugendlichen allerdings nicht zu haben: »Wenn sie die Räume nicht wollen und mich dadurch dazu zwingen, eine Räumung zu veranlassen, dann werde ich ihnen hinterher nicht noch einen Raum anbieten«, stellt Schworck ein Ultimatum. Das Potse-Kollektiv will sich indes nicht unter Druck setzen lassen. »Wir brauchen Räume, in denen wir auch unser komplettes Angebot wahrnehmen können«, sagt »Potse«-Sprecher Paul zu »nd«. Das sei aufgrund der Größe der Ersatzräume fraglich.

Zumal sich das »Potse«-Kollektiv den Veranstaltungsraum mit dem »Drugstore«-Kollektiv teilen würde. Das hatte seine Räumlichkeiten in der Potsdamer Straße 180 Ende 2018 im Gegensatz zur »Potse« freiwillig verlassen, nachdem ihnen Ersatz in Aussicht gestellt worden war. Auf den warten sie bis heute. Statt, wie ursprünglich angekündigt, Mitte 2019 können sie laut Schworck aufgrund von Verzögerungen bei den Sanierungsarbeiten erst im Sommer 2021 einziehen. Da eine lärmintensive Nutzung dort nicht möglich ist, will sich das »Drugstore«-Kollektiv das neue Angebot noch einmal genau anschauen, hat aber grundsätzlich Interesse bekundet.

Das »Potse«-Kollektiv gibt sich nicht so leicht zufrieden. »Die Potse bleibt so lange drin, bis es adäquate Ersatzräume gibt«, sagt Paul. Die Jugendlichen rufen dazu auf, ihnen oder dem Bezirksamt für Konzerte, Proben und Werkstätten geeignete Räume zu melden, um eine Räumung noch zu verhindern. »In der aktuellen Pandemie ein Jugendzentrum zu räumen, nach der es eigentlich mehr soziale Infrastruktur bräuchte, kommt einem politischen Totalversagen gleich«, meint Paul.

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