Gelddrucken bis zur Vollbeschäftigung?

Linke sollten sich nicht von der populären Modernen Monetären Theorie blenden lassen, findet Tomasz Konicz.

  • Tomasz Konicz
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Modernen Monetären Theorie (MMT) scheint die Quadratur des kapitalistischen Kreises geglückt. Vollbeschäftigung, Sozialstaat, Wirtschaftswachstum und die ökologische Wende - all dies sei nur eine Frage der expansiven Geldpolitik, so die zentrale These der MMT. Dieser neokeynesianischen, in der sozialistischen Linken der Vereinigten Staaten sehr populären Geldtheorie zufolge können Regierungen, die ihre Währung kontrollieren, die Staatsausgaben frei erhöhen, ohne sich um Defizite sorgen zu müsse. Denn sie können jederzeit genug Geld drucken, um ihre Staatsschulden in ihrer Währung abzuzahlen. Inflation sei dieser Theorie zufolge so lange kein Problem, wie die Ökonomie nicht an natürliche Wachstumsgrenzen stoße oder es ungenutzte ökonomische Kapazitäten gebe, wie etwa Arbeitslosigkeit.

Gelddrucken bis zur Vollbeschäftigung - darauf zielt diese nachfrageorientierte Wirtschaftsstrategie ab. Zumeist verweisen Befürworter der MMT auf die expansive Geldpolitik der US-Notenbank Fed, die 2007 bis 2009 und 2020 mit Billionenbeträgen die strauchelnden Finanzmärkte stützte. Da die als »Quantitative Lockerungen« bezeichnete Gelddruckerei anscheinend keine Inflationsschübe nach sich zog, will die MMT diese Krisenmaßnahmen gewissermaßen zur Leitlinie links-sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik erheben. Durch expansive Geldpolitik soll das Angebot der Ware Geld so lange erhöht werden, bis eben die Nachfrage gedeckt sei, bis die Arbeitslosigkeit verschwunden ist und die Wirtschaft ordentlich brummt.

Ignoriert wird dabei der Zusammenhang zwischen den quantitativen Lockerungen und dem Wachstum des aufgeblähten spätkapitalistischen Finanzsektors. Die Gelddruckerei der Fed (wie die der Europäischen Zentralbank) führte sehr wohl zu einer Inflation - zur Inflation der Wertpapierpreise auf den Finanzmärkten, die gerade während des diesjährigen Pauperisierungsschubs in den USA neue Rekorde aufstellten. Zudem wandeln sich die Notenbanken zu Sondermülldeponien des Finanzsystems, da sie im Verlauf ihrer billionenschweren »Lockerungsübungen« schlicht den ganzen Finanzmarktschrott aufkaufen, der die Finanzmärkte destabilisiert. Die Folge: Die Bilanzsumme der Fed ist von rund 877 Milliarden Dollar 2008 auf rund 7,2 Billionen im November 2020 angeschwollen. Bei der EZB verhält es sich ähnlich.

Der aufgeblähte Finanzsektor - Fundament der als Konjunkturmotor fungierenden globalen Verschuldungsdynamik - bildet somit den entscheidenden Faktor, der eine Stagflationsperiode (hohe Inflation samt Stagnation) verhindert, wie sie in den 70ern dem Keynesianismus das Rückgrat brach und den Weg für den Neoliberalismus öffnete. Diese historisch beispiellosen Aufkaufprogramme der Notenbanken, mit denen ein auf Pump laufender Spätkapitalismus mühsam stabilisiert wird, will die MMT letztlich zur neuen Normalität erklären - und somit in Ideologie, in die Rechtfertigung des Bestehenden übergehen. Auch der Neokeynesianismus sieht die Ursache der gegenwärtigen kapitalistischen Malaise hauptsächlich in mangelnder Geldversorgung. Deren zentrale Krisenursache bildet aber ein fehlender ökonomischer Leitsektor, ein neues Akkumulationsregime, das massenhaft Lohnarbeit verwertete - und das aufgrund des hohen globalen Produktivitätsniveaus nie wieder errichtet werden wird.

Es ist kein Zufall, dass die MMT ihre politische Heimat in den USA hat, die mit dem US-Dollar die Weltleitwährung kontrolliert. Damit kann sich Washington im globalen Wertmaß aller Warendinge verschulden. Wie es aussieht, wenn Staaten der Peripherie dazu übergehen, ihre eigene Währung nach Gutdünken zu drucken, die im US-Dollar ihren globalen Wertmaßstab finden, kann aktuell etwa an der Türkei studiert werden. Die MMT stellt somit nicht nur eine sehr exklusive Theorie dar, die eventuell noch in der Eurozone Anhänger finden kann und sich anhand der Erfahrungen in der Peripherie blamiert - sie leidet auch an dem üblichen keynesianischen Taschenspielertrick. Dessen Nachfragepolitik tut so, als ob der Kapitalismus schon überwunden wäre, als ob die Bedürfnisbefriedigung - und nicht uferlose Kapitalverwertung - den Zweck der kapitalistischen Wirtschaft bildete.

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