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Auslieferungsprozess vor Urteil
Julian Assange erhält Unterstützung deutscher Parlamentarier und der Menschrechtsbeauftragten Kofler
Die Beauftragte für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), hat in einer am Mittwochabend veröffentlichten Mitteilung unerwartet Stellung zum Auslieferungsverfahren des australischen Journalisten Julian Assange bezogen. »Mit Sorge verfolge ich das Auslieferungsverfahren in Großbritannien gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange und die im November schriftlich eingereichten Schlussplädoyers von Anklage und Verteidigung«, heißt es in der Pressemitteilung von Kofler, die das Auswärtige Amt veröffentlichte.
Die Bundesregierung hatte bislang ihr Vertrauen in das britische Rechtssystem stets bekräftigt, den Prozess aber durch einen deutschen Diplomaten in London begleiten lassen. Die Urteilsverkündung ist für den heutigen Montag angekündigt.
»Humanitäre Aspekte einer möglichen Auslieferung dürfen nicht übersehen werden«, heißt es in der Mitteilung weiter. »Der körperliche und psychische Gesundheitszustand von Julian Assange muss bei der Entscheidung über die Auslieferung in die USA unbedingt Berücksichtigung finden.« Kofler erinnerte daran, dass Großbritannien an die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden ist, auch was das mögliche Strafmaß und die Haftbedingungen angeht.
Die Menschenrechtsbeauftragte kündigte an, sie werde »den Fall daher weiter aufmerksam verfolgen«. Assange droht in den USA ein Prozess wegen der Aktivitäten, die der von ihm mitgegründeten Plattform »Wikileaks« zugerechnet werden. Die Redaktion von Wikileaks war an mehreren Veröffentlichungen beteiligt, die die US-Kriegsführung, aber auch den US-Geheimdienst schwer erschütterten. Dazu zählte die Veröffentlichung der Irak- und Afghanistan-Tagebücher, die Menschenrechtsverletzungen der US-Truppen belegten. Allein im Irak mussten danach die Zahlen getöteter Zivilisten um 15 000 Personen nach oben korrigiert werden. Assange drohen bei einem Prozess in den USA 175 Jahre Haft.
Kurz vor Weihnachten hatte sich im Bundestag in der fraktionsübergreifenden Arbeitsgruppe »Freiheit für Julian Assange« Abgeordnete der Parteien Linke, FDP, CDU, SPD und Grüne zusammengefunden. Assanges Auslieferung an die USA müsse »unbedingt verhindert werden«, forderte die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen. Die gemeinsame Initiative von Abgeordneten aller demokratischen Fraktionen wolle ein klares Zeichen für den Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit setzen, die durch die drohende Auslieferung von Julian Assange gefährdet ist, hob Dagdelen hervor. Der CDU-Abgeordnete Frank Heinrich erklärte: »Unabhängig davon, wie man zu Assanges politischen Ansichten steht, muss es eine Selbstverständlichkeit sein, sich für ein faires Verfahren und die Verteidigung seiner Bürgerrechte einzusetzen.«
Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, hatte seine Forderung erneuert, Assange freizulassen. Dazu wandte er sich in einem offenen Brief an den noch amtierenden US-Präsidenten Donald Trump, und schlug eine Begnadigung vor. Ein Straferlass sei eine »klare Botschaft der Gerechtigkeit, Wahrheit und Menschlichkeit an das amerikanische Volk und die Welt«, so Melzer. Nachdem Trump jedoch überwiegend Weggefährten und Familienmitglieder begnadigte, setzen sowohl Melzer als auch der Vater von Assange, John Shipton, nun ihre Hoffnung auf den neu gewählten US-Präsidenten Joe Biden. Melzer sieht in dem Prozess in London kein faires Verfahren. »Was wir sehen, ist, dass die Briten Julian Assange systematisch seiner grundlegenden Rechte berauben, seine Verteidigung vorzubereiten, Zugang zu seinen Anwälten und zu rechtlichen Dokumenten zu haben«, so Melzer.
Die US-Justiz wirft dem gebürtigen Australier Assange vor, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material gestohlen und veröffentlicht zu haben. Den Status als Herausgeber und Journalist sprechen die Ankläger Assange ab. Mit Agenturen
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