Flügellahm ins neue Jahr

Nur rund zehn Prozent der in Berlin vor Corona üblichen Passagierzahlen werden derzeit am BER abgefertigt

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit insgesamt etwa 17 000 Flugreisenden erlebte der Willy-Brandt-Flughafen BER am Sonntag einen der eher besonders guten Tage seit Beginn des zweiten Lockdowns. Derzeit rechne man in den Terminals 1 und 5 in Schönefeld mit rund zehn Prozent der vor Corona an den Berliner Flughäfen noch erreichten Passagierzahlen, die damals im Durchschnitt bei 100 000 pro Tag lagen. Den »positiven Ausreißer« zum Jahresbeginn bestätigte Flughafensprecher Jan-Peter Haack dem »nd« am Montag auf Anfrage.

Der Flughafenbetrieb erfolge seit der Inbetriebnahme am 31. Oktober weitgehend störungsfrei. »Grundsätzlich laufen alle Prozesse sehr stabil und sicher«, so der Sprecher. Das bestätige auch das erfreuliche Feedback, das die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) seither erhalte. Der BER sei gut ins neue Jahr gestartet und habe am Wochenende im Wesentlichen auch seine erste winterliche Bewährungsprobe mit einigen Zentimetern Schnee gut bestanden.

Allerdings habe man in diesem Zusammenhang am Sonntag auch einen Flug streichen müssen. Für eine Lufthansa-Maschine, die auf den Start zu einem Linienflug nach München wartete, habe nicht rechtzeitig die notwendige Enteisungskapazität bereitgestellt werden können. Dies sei von der Crew nicht rechtzeitig angemeldet worden, erläuterte Haack. Als die Maschine dann mit Verspätung zum Start rollte, habe die Besatzung einen technischen Defekt signalisiert und den Flug abgebrochen. Man habe aber allen Passagieren eine Umbuchung auf einen anderen Lufthansa-Flug am Abend angeboten.

Insgesamt bestätigt haben sich die Befürchtungen der Betreibergesellschaft FBB, dass die Fluggastzahlen 2020 am Flughafenstandort Berlin infolge der Corona-Pandemie dramatisch einbrechen würden. Der Flughafensprecher bestätigte Angaben der Deutschen Presseagentur dpa, denen zufolge das Passagieraufkommen gegenüber 2019 um drei Viertel zurückgegangen ist. »Vorbehaltlich der noch nicht vorliegenden aktuellen Zahlen unserer Experten gehen wir derzeit davon aus, dass 2020 an den Berliner Flughäfen insgesamt kaum mehr als 9,1 Millionen Fluggäste abgefertigt wurden«, sagte er. Im Jahr zuvor waren in Tegel und Schönefeld insgesamt rund 36 Millionen Passagiere registriert worden.

Die weitere Entwicklung am neuen Hauptstadtflughafen BER hänge natürlich stark von der Corona-Situation ab. Ob und vor allem wann sich mit einem erfolgreichen Verlauf der jetzt in Gang kommenden Impfungen der Flugreiseverkehr wiederbelebe, sei schwer vorhersehbar. Richtig sei, dass die Flughafengesellschaft gegenwärtig für das erste vollständige Betriebsjahr des BER eine nur allmähliche Zunahme des Betriebs erwarte. »Wir rechnen gegenwärtig damit, dass die Fluggastzahlen mit zehn bis elf Millionen nur wenig über dem Niveau von 2020 liegen werden.« Das entspricht in etwa dem Worst-Case-Szenario, das die Flughafenexperten bei der Errechnung des möglichen Finanzbedarfs des BER zur Bewältigung der Coronakrise im Jahr 2021 skizziert hatten. Dabei war man auf 660 Millionen Euro zusätzlich gekommen, für die die Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund als Gesellschafter aufkommen müssen. Der dpa hatte die Flughafengesellschaft mitgeteilt: »Wir werden mindestens noch ein weiteres Jahr mit erheblichen Einbußen bei geringen Passagierzahlen verkraften müssen.« Dazu zitierte die Presseagentur Flughafenchef Lütke Daldrup mit der Einschätzung: »Der Weg zur Normalität im Flugbetrieb ist sehr viel weiter, als wir alle gewünscht und gehofft haben.«

Lütke Daldrup, der Geschäftsführer der FBB ist, erklärte, dass man allein, um die Kosten für den laufenden Betrieb in diesem Jahr zu decken, »etwa 20 Millionen Passagiere« bräuchte. Er rechne nicht damit, dass der vor gut zwei Monaten eröffnete Flughafen die finanziellen Erwartungen schnell erfüllt. »Wir werden wohl erst 2024 oder 2025 wieder das Vorkrisenniveau erreichen.«

Um Kosten zu sparen, hat die Betreibergesellschaft Investitionen in den weiteren Ausbau des BER zurückgestellt. Es gelten Kurzarbeit und ein Einstellungsstopp. Vor knapp einem Monat wurde eine der beiden Startbahnen stillgelegt, und im Frühjahr soll das Terminal 5 befristet schließen. mit dpa

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