Die Jagd auf Wikileaks und Julian Assange

Die Veröffentlichungen brüskierten die Mächtigen und deckten Menschenrechtsverletzungen und Geheimdienstaktivitäten auf

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Prozess um die Auslieferung von Julian Assange ging es vornehmlich um die Veröffentlichungen, die durch die Whistleblowerin Chelsea Manning möglich wurden. Manning hatte als Analystin im Nachrichtendienst der USA im Irak gearbeitet und Anfang Januar 2010 mehrere hunderttausend Dateien aus den Datenbanken heruntergeladen. Damit wurde die US-Kriegsführung im Irak und in Afghanistan transparenter, als das zuvor der Fall war. Manning hatte zunächst versucht, US-Journalisten zu kontaktieren, spielte dann die Dokumente Wikileaks zu. Mit den Veröffentlichungen, die am 5. April 2010 begannen, »wäre eine Chance für unsere Gesellschaft gegeben, Rechenschaft über diese Form des Gegenterrorismus abzulegen, bei dem wir die menschliche Seite der Bewohner in diesen Ländern Tag für Tag missachten«, äußerte Manning Ende Februar 2013 zu den ihr zur Last gelegen Anklagepunkten. Das Video »Collateral Murder«, das den Luftangriff auf Zivilist*innen und Journalist*innen vom 12. Juli 2007 zeigte, sorgte weltweit für Aufsehen, nicht aber für eine Verurteilung der US-Helikopterpiloten, die den Angriff führten. Die Veröffentlichungen sind für Menschenrechtsorganisationen wie das »Iraq-Bodycount-Project«, das die zivilen Toten der Alliierten im Irak-Krieg zum Thema hat, von großer Bedeutung. Ein Zeuge, der im Auslieferungsverfahren als Sachverständiger gehört wurde, sagte aus, dass man auf Basis der veröffentlichten US-Dokumente die offiziell vermeldeten Todeszahlen um 15 000 zivile Tote erhöhen musste.

Schon vor diesen Veröffentlichungen hatte Wikileaks mit den Guantánamo-Bay-Handbüchern im Jahr 2007 die Aufmerksamkeit der US-Geheimdienste auf sich gezogen und die Verletzung von Menschenrechten und der Genfer Konvention belegt. Die Veröffentlichungen bei Wikileaks erfolgten mehrfach in Kooperation mit führenden Zeitungen wie dem britischen »Guardian«, dem »Spiegel«, der »New York Times«, der »Washington Post« sowie der ARD. »Die US-Anklage gegen Julian Assange ist eindeutig politisch motiviert. Die USA wollen ein Exempel statuieren und eine abschreckende Wirkung auf Medienschaffende überall auf der Welt erzielen«, sagte der Geschäftsführer von »Reporter ohne Grenzen«, Christian Mihr.

Das es lediglich die USA sind, die ein Interesse an einem Verfahren wegen Spionage gegen Julian Assange haben, ist bei der zweifelhaften Prozessführung im Auslieferungsverfahren ebenso fraglich wie angesichts der bis zum letztmöglichen Zeitpunkt gewahrten Zurückhaltung deutscher Regierungspolitiker*innen. Erst mit einer vor wenigen Tagen veröffentlichten Pressemitteilung der Menschenrechtsbeauftragten Bärbel Kofler lässt die Bundesregierung Zweifel daran erkennen, dass die britische Justiz so unabhängig arbeitet, wie man noch in den letzten Monaten immer wieder vertrauensvoll betont hatte.

Mehrmals betrafen Wikileaks-Veröffentlichungen Deutschland, die deutsche Kriegsführung in Afghanistan und die Kooperation mit US-Diensten. Am 13. Dezember 2009 veröffentlichte Wikileaks den sogenannten Feldjäger-Report. Darin ging es um den Luftangriff, den der damalige Oberst Georg Klein befehligte. US-Kampfjets hatten auf Befehl Kleins Bomben auf zwei gekaperte Tanklastzüge abgeworfen, die in einem Flussbett bei Kunduz feststeckten und dabei über 100 Zivilist*innen getötet. Im März 2010 belegte ein CIA-Dokument Pläne, wie auf die Meinungsbildung der deutschen Bevölkerung Einfluss genommen werden sollte, um mehr Unterstützung für den Afghanistan-Krieg zu generieren.

Die Veröffentlichungen von US-Diplomaten-Depeschen brachten im Dezember 2010 dazu neue Aspekte im Fall des 2004 von der CIA nach Afghanistan entführten Deutschen Khaled El-Masri ans Tageslicht. Bis heute ist trotz darauf verweisender Leaks unklar, ob ein deutschsprachiger Agent für einen Deutschen Geheimdienst in einem US-Foltergefängnis in Afghanistan tätig war.

Weitere Leaks betrafen den NSA-Untersuchungsausschuss. Nachdem erste Dokumente des Whistleblowers Edward Snowden die Methoden des US-Geheimdienstes NSA und des britischen Nachrichtendienstes GCHQ offenlegten, war in weiteren Veröffentlichungen auch der deutsche Bundesnachrichtendienst BND in der Kritik, der fleißig mitüberwachte und Daten abzapfte. Deutsche Wirtschaftspolitik war ebenfalls im Fall der Toll-Collect-Verträge, die die LKW-Maut betrafen, sowie der in München produzierten Spionagesoftware FinSpy Gegenstand von Wikileaks-Veröffentlichungen.

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