Auslandsinvestitionen sind alternativlos
Der Ökonom Pavel Vidal über die jetzt auf Kuba gestartete Währungsreform und weiteren Veränderungsdruck
Mit der Währungsreform zirkuliert seit dem 1. Januar in Kuba nur noch der Peso nacional. Der Peso convertible, der nie konvertibel war, gehört der Geschichte an. Eine weise Entscheidung?
Ja, unbedingt. Ich denke, die Währungsreform ist vernünftig konzipiert und bietet das Beste, was unter den derzeitigen Bedingungen Kubas möglich war. Klar sähe sie anders aus, wenn die Rahmenbedingungen anders wären: wenn Kuba eine diversifizierte Wirtschaft hätte, wenn die Regierung Kredite vom Internationalen Währungsfonds (IWF) oder anderen Finanzinstitutionen erhalten würde oder wenn der Privatsektor größer wäre. Das ist aber alles nicht der Fall, deshalb hat man sich für eine regulierte Währungsreform mit einer hohen Abwertungsquote entschieden - ein «regulierter Big Bang», wie es einige Zeitungen nannten.
Der aus Kuba stammende Ökonom lehrt an der Universität Javeriana in Cali, Kolumbien. Zuvor arbeitete der 46-Jährige lange bei der Zentralbank Kubas. Mit ihm sprach Knut Henkel.
«Sie beziehen sich auf den Wechselkurs von einem US-Dollar zu 24 Peso nacional, der für den Privatsektor und die Bevölkerung seit Jahren gilt, aber nicht für die staatlichen Betriebe ...
Genau. Das war nicht zu erwarten, denn lange wurde darüber diskutiert, ob nicht ein Wechselkurs von 1:5 oder 1:9 realistisch sei. Doch die Architekten der Währungsreform haben direkt eine massive Abwertung vorgenommen - das ist mutig.
Was hat das für Auswirkungen auf den staatlichen Sektor, der zuvor mit einem Wechselkurs von 1:1 kalkulierte?
Das ist ein Schock, aber unter administrativer Kontrolle, denn es wird versucht, mit Höchstpreisen einen Deckel auf die Inflation zu setzen. Der Architekt der Reform, Marino Murillo (Ökonom und Vizepräsident des Ministerrats, d. Red.), hat bereits angekündigt, dass die staatlichen Unternehmen für etwa ein Jahr aus einem Fonds gestützt werden sollen - dann sollen sie sich an die neuen Verhältnisse angepasst haben. Das sind klare Vorgaben.
Wird die Währungsreform die realen Preise für Produkte sichtbar machen, die wegen der unterschiedlichen Wechselkurse seit mehr als zwei Dekaden verschleiert waren?
Ja, das ist ein Effekt, bei den Strompreisen ist das bereits der Fall. Dort hat Murillo die Höhe der Subventionen genannt. Zum 1. Januar sind die Strompreise um das Fünffache gestiegen. Die Währungsreform wird Kubas Wirtschaft transparenter, kalkulierbarer machen - das scheint mir der wichtigste Effekt.
Wird die Regierung in der Lage sein, Preisobergrenzen festzulegen und sie auch durchzusetzen? Derzeit herrscht ja Mangel an vielen Produkten.
Einige Produkte sind schlicht nicht da, und der Schwarzmarkt könnte das Preiskorsett zum Bersten bringen. Vieles hängt davon ab, wie schnell die Wirtschaft auf die neuen Vorgaben reagiert, wie schnell die Umstellung funktioniert - das lässt sich noch nicht abschätzen.
Was halten Sie von dem parallel vorgestellten Gehaltsmodell - macht es Sinn?
Ja, auf den ersten Blick schon. Es macht einen durchdachten Eindruck, teilweise ist das schon sehr detailliert - bis zum Tarif, den ein Aktmodell verlangen darf. Das sind kuriose Details, die planwirtschaftliches Denken illustrieren.
Fehlen begleitende Reformen, um die Binnenwirtschaft anzukurbeln?
Ja, mit Höchstpreisen allein kommt man nicht weiter. Das schafft Hürden, die früher oder später einstürzen, was auch die Verantwortlichen, unter anderem der Wirtschaftsminister, eingeräumt haben. Dies sind Übergangsmaßnahmen - das trifft auch für die Rationierung bestimmter Produkte zu. Die große Frage ist, welche Rolle der Privatsektor, kleine und mittlere Unternehmen, einnehmen soll. Da herrscht Unklarheit, fehlen Reformen, die die Währungsreform durchaus stützen könnten. Mit Hilfe des privaten und genossenschaftlichen Spektrums könnte das Warenangebot erweitert, die Inflation gemildert werden und das Wachsen des Schwarzmarkts eingedämmt werden - da herrscht Handlungsbedarf. Mit Polizei allein ist es nicht getan, denn die will auch essen.
Wie groß ist der Druck auf Kuba angesichts der noch verschärften US-Sanktionen, der Krise in Venezuela sowie der Einnahmeausfälle durch den Einbruch von Tourismus und Exporten?
Deshalb wird um Auslandsinvestitionen geworben, bei denen es auch Mehrheitsbeteiligungen geben darf. Die Insel braucht Devisen, die Wirtschaft liegt am Boden. Ich rechne mit einem Einbruch des Bruttoinlandsproduktes um 8,5 Prozent und der Exporte um 20 Prozent.
Kritiker warnen, dass Mehrheitsbeteiligungen zu einem Ausverkauf der Inselwirtschaft führen könnten. Richtig oder falsch?
Sie sind alternativlos. Die Regierung verfügt seit 1959 über die Ressourcen der Insel, und ich denke, dass sie nicht gut genutzt wurden. Die Investitionsquote ist niedrig, die produktive Industriekapazität nahm ab - viele Unternehmen sind nur bessere Werkstätten. Ohne eine höhere Investitionsquote wird sich daran nichts ändern. Kuba ist in vielen Bereichen schlicht stehen geblieben - der Fuhrpark mit den alten US-Oldtimern, aber auch die Bausubstanz sind dafür gute Beispiele.
Es wurden bereits weitere Reformen im Privatsektor angekündigt. Können diese die Währungsreform stützen?
Es sollen weitere Liberalisierungen im Privatsektor, weitere Reformen für die kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie die Genossenschaften geben, aber die konkreten Gesetze lassen auf sich warten. Ich sehe besonders große Potenziale in der Digitalwirtschaft, denn Kuba hat Informatiker und ist besser aufgestellt als etwa Kolumbien.
Und die Landwirtschaft?
Es gibt Ansätze, um das zentrale Ankaufssystem Acopio zu dezentralisieren. Solche Prozesse brauchen Zeit, und die Regierung will dort die Kontrolle nicht aus der Hand geben.
Kann es sein, dass Reformprojekte erst im April auf dem Parteikongress der PCC vorgestellt werden?
Ja, das kann sein. Es gibt nach wie vor viele Widerstände, aber der Druck ist hoch. Ideal wäre es, wenn endlich ein Reformkonzept verabschiedet wird, das wie in China oder Vietnam einen Rahmen vorgibt. In Kuba sind alle Versuche, ein neues sozialistisches Modell zu definieren, versandet. Das schafft Unsicherheit und eben keine Aufbruchstimmung - die braucht es aber.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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