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VW: Solidarisch aus der Krise
Werke in Deutschland sollen laut Gewerkschaftern durch Gehaltsverzicht gerettet werden
Daniela Cavallo hatte bereits im Oktober die Beschäftigten von Volkswagen aufgeschreckt: Der VW-Vorstand denke über Werkschließungen in Deutschland nach. Nun legte die Gesamtbetriebsratsvorsitzende zusammen mit der IG Metall einen »Masterplan« vor, mit dem die Krise des teilstaatlichen Autobauers gemeistert werden soll.
Europas größter Autohersteller hat stark auf die Karte Elektromobilität gesetzt. Doch hierzulande kaufen die Kunden nur wenige E-Volkswagen – auch weil der Volumenhersteller bislang keine preiswerten Modelle produziert. Auf dem weltgrößten Markt, in China, werden vergleichsweise viele E-Autos gekauft, aber eben nicht die von VW. Über alle Antriebe hinweg setzte der Volkswagen-Konzern in diesem Jahr mit 6,5 Millionen Fahrzeugen weniger ab als im Vorjahr, und nur eine halbe Million davon hatte einen Elektroantrieb an Bord.
»Einem Personalabbau verschließen wir uns nicht.«
Daniela Cavallo
VW-Gesamtbetriebsratsvorsitzende
Im Ergebnis verkaufe VW etwa 500 000 Wagen in Europa zu wenig, rechnete Cavallo am Mittwoch im Gewerkschaftshaus der IG Metall in Wolfsburg vor. Um »die Krise zu bewältigen« und Überkapazitäten abzubauen, sei man in Gesprächen mit dem Vorstand. »Einem Personalabbau verschließen wir uns nicht«, sagte sie. Die Kapazitäten der Werke müssten den veränderten Märkten angepasst werden.
Es müssten jedoch alle einen Beitrag leisten, auch die Aktionäre. Cavallos Zukunftsplan beharrt darauf, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen und keine Werksschließungen gibt. Der VW-Vorstand hatte die Schließung von drei Fabriken angedroht. In Frage dafür kommen angeblich neun Werke, darunter diejenigen in Chemnitz, Dresden und Zwickau.
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Es sei ein »Armutszeugnis«, sagte Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall, dass der bestbezahlte Vorstand der Republik keinen klaren Plan für die Zukunft habe und stattdessen mit Maximalforderungen und Werksschließungen drohe. In der dritten Verhandlungsrunde mit dem VW-Management wolle die Gewerkschaft an diesem Donnerstag dem »Unternehmen die Hand reichen«, so Verhandlungsführer Gröger. Konkret schlagen die Arbeitnehmervertreter vor, Boni vom Vorstand bis zur Fließbandarbeiterin teilweise zu streichen und das Entgeltsystem anzupassen, um die Krise solidarisch zu meistern, wie es heißt.
Vor allem sollen die Beschäftigten die nächste Tariferhöhung befristet als Arbeitszeit in einen »Zukunftsfonds« einbringen und vorerst nicht ausgezahlt bekommen. Das ermögliche flexible Arbeitszeitkürzungen ohne Personalabbau. Maßstab solle dabei der jüngste Pilotabschluss für die Metall- und Elektroindustrie sein, der ebenfalls in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage durchgesetzt worden sei. Jener sieht eine Erhöhung um insgesamt 5,1 Prozent in zwei Stufen bis 2026 vor. Dies alles ermögliche eine Entlastung bei den Arbeitskosten um rund 1,5 Milliarden Euro, versicherte Gröger.
Im Gegenzug verlangen IG Metall und Betriebsrat Garantien für Standorte und Beschäftigung. Weiter fordern sie, die von VW im September gekündigte Beschäftigungssicherung, die betriebsbedingte Kündigungen bisher ausschließt, wieder in Kraft zu setzen – sowohl für die sechs westdeutschen Werke mit 125 000 Mitarbeitern in Niedersachsen und Hessen als auch für die drei Standorte in Sachsen mit knapp 15 000 Beschäftigten.
Die wirtschaftliche Lage ist nämlich besser, als die Krisenrhetorik des Vorstands es vermuten lässt. 12,9 Milliarden Euro Gewinn fuhr der Volkswagen-Konzern von Januar bis September ein (16,2 Milliarden im Vorjahreszeitraum). Die Umsatzrendite vor Steuern, also der Gewinn pro verkauftem Pkw, beträgt rund 5,5 Prozent. Vorstandschef Blume will diese bis 2030 auf neun bis elf Prozent steigern und zu diesem Zweck massiv Kosten sparen, vom Fließband über die Verwaltung bis zum Vertrieb.
Doppelt- und Dreifachentwicklungen in dem weit verzweigten Konzernkonstrukt mit seinen zehn Marken und über 680 000 Beschäftigten könnten zentralisiert, die traditionell hohe Fertigungstiefe durch Outsourcing gesenkt werden. Das Audi-Werk in Brüssel soll Ende Februar 2025 bereits die Arbeit einstellen. Es ist die erste Produktionsstätte, die VW seit Jahrzehnten in Europa schließt.
Für den Fall von Werksschließungen in Deutschland drohte die Gewerkschaft mit erbitterter Gegenwehr. »Sollte der Vorstand auf Maximalpositionen beharren, übernimmt er die Verantwortung dafür, dass wir in einen Arbeitskampf um Standorte laufen, wie ihn die Republik noch nicht erlebt hat«, sagte Gröger. Die Vorbereitungen dafür liefen.
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