Google-Angestellte organisieren sich

Beim Mutterkonzern des US-Onlineriesen wurde erstmals eine Gewerkschaft gegründet

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Erklärung war recht kurz, doch dürfte sie den größten Erfolg für eine ganze Generation von US-Gewerkschaftsaktivisten darstellen: Anfang der Woche verkündeten Angestellte von Alphabet, der Muttergesellschaft von Google, eine Gewerkschaft gegründet zu haben. Mehr als 400 der weltweit 120 000 Beschäftigten des Tech-Riesen wollten bei der Alphabet Workers Union (AWU) von Anfang an dabei sein.

Zwar strebt die Gruppe keine Ratifizierung auf Bundesebene an, was bedeutet, dass sie keine Tarifverhandlungsrechte haben wird, mit der sie Arbeitsverträge auch für nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer aushandeln könnte. Doch die Gründung ist trotzdem ein Sieg für die Gewerkschaftsbewegung, die schon lange versucht, die Angestellten der großen IT-Konzerne zu organisieren, die in der Vergangenheit linke Politik gemieden und sich dem Kapitalismus und dem Libertarismus verschrieben haben.

»Das ist ein historisches Ereignis. Die AWU ist die erste Gewerkschaft bei einem großen Tech-Unternehmen von und für alle Tech-Arbeiter«, sagte Dylan Baker, ein Software-Ingenieur bei Google. »Wir werden Vertreter wählen, wir werden Entscheidungen demokratisch treffen, wir werden Beiträge zahlen. Und wir werden qualifizierte Organisatoren einstellen, um sicherzustellen, dass alle Arbeiter bei Google wissen, dass sie mit uns zusammenarbeiten können, wenn sie tatsächlich wollen, dass ihr Unternehmen ihre Werte widerspiegelt.«

Die Aktivisten berichten unterdessen, dass die Konzernführung wiederholt versucht habe, sie einzuschüchtern und die Gewerkschaftsgründung zu unterdrücken. Demnach soll der Konzern auch bei IRI, einer bekannten gewerkschaftsfeindlichen Beratungsfirma, Unterstützung eingeholt haben, um die Organisierung zu verhindern.

»Wir sind die Arbeiter, die Alphabet aufgebaut haben«, so die AWU-Aktivisten Parul Koul und Chewy Shaw in einem Meinungsartikel in der »New York Times«. »Wir schreiben Algorithmen, reinigen Büros, servieren Essen, fahren Busse, testen selbstfahrende Autos und tun alles, was nötig ist, um diesen Giganten am Laufen zu halten. Wir sind zu Alphabet gekommen, weil wir Technologien entwickeln wollten, die die Welt verbessern. Doch immer wieder haben die Führungskräfte des Unternehmens den Profit über unsere Belange gestellt.«

Seitens des Konzerns wird diese Darstellung zurückgewiesen: »Wir haben immer hart daran gearbeitet, einen unterstützenden und lohnenden Arbeitsplatz für unsere Belegschaft zu schaffen«, sagte die Google-Managerin Kara Silverstein in einer Stellungnahme. »Natürlich haben unsere Mitarbeiter geschützte Arbeitsrechte, die wir unterstützen. Aber wie wir es immer getan haben, werden wir weiterhin direkt mit allen unseren Mitarbeitern in Kontakt treten.«

Der Vorstoß zur Gründung einer Gewerkschaft begann Anfang November, als 20 000 Mitarbeiter von Google, Waymo, Verily und anderen Alphabet-Firmen streikten, um gegen sexuelle Belästigung zu protestieren. Zuvor waren Berichte über Führungskräfte aufgetaucht, die entlassen und hoch abgefunden wurden, deren sexuelle Übergriffe aber vertuscht wurden. Die Demonstranten beschwerten sich auch, dass das Unternehmen unethische Aufträge annahm, etwa für militärische Drohnen-Zielsysteme. Die AWU kritisierte zudem die aus ihrer Sicht unrechtmäßige Kündigung von Timnit Gebru, einer schwarze Frau. Die Expertin für Künstliche Intelligenz (KI) hatte zuvor die Diversitätsrichtlinien von Aphabet angeprangert und dargestellt, dass die KI-Modelle des Unternehmens Rassismus reproduzierten.

»Unsere neue Gewerkschaft bietet eine nachhaltige Struktur, um sicherzustellen, dass unsere gemeinsamen Werte als Alphabet-Mitarbeiter auch nach dem Verebben der Schlagzeilen respektiert werden«, so Nicki Anselmo, ein Programmierer bei der Suchmaschine. Die Gewerkschafter sagten, dass noch mehr Arbeit zu leisten sei. Ihnen zufolge sind viele Alphabet-Beschäftigte Leiharbeiter, Auftragnehmer und Lieferanten, die gegenüber den regulär Beschäftigten benachteiligt sind. Sie machten einen großen Teil der Belegschaft des Unternehmens aus, erhielten aber nur sehr wenig von den Gewinnen, die ihre Arbeit generiert, so die Aktivisten.

Viele dieser schlechter bezahlten Arbeiter in den USA organisieren sich jetzt. Die Arbeiter in einem Google-Lager in Pittsburgh haben für die Gründung einer Gewerkschaft gestimmt. Und auch beim Onlineriesen Amazon starteten Lagerarbeiter ähnliche Bemühungen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.