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Demokraten vor Mehrheit im US-Senat
Bekenntnisse zu antirassistischer Politik und populärer Sozialpolitikwahlkampf brachten den Sieg in Georgia
Donald Trump hat die Republikaner erst die Mehrheit im Repräsentantenhaus gekostet, dann die Präsidentschaft und nun, wenn auch in der Verlängerung, die Mehrheit im US-Senat. Am Ende werden vermutlich nicht nur der Schwarze Pastor Raphael Warnock, sondern auch der jüdische Filmemacher Jon Ossoff bei den Stichwahlen zum US-Senat in Georgia mehr Stimmen erhalten haben als Joe Biden im November. Die beiden Demokraten-Politiker haben es geschafft, noch einmal mehr Latino- und Schwarzen-Stimmen für sich zu mobilisieren. Sollte nach Auszählung aller Stimmen neben Warnock auch Ossoff gewinnen, stünde es genau 50 zu 50 im US-Senat. Die neue demokratische Vize-Präsidentin Kamala Harris könnte dann bei Stimmengleichstand die entscheidende Stimme abgeben.
»Auf den Sieg in Georgia muss jetzt eine Transformation Amerikas folgen: Überlebensschecks, gewerkschaftliche Jobs mit gutem Lohn, ein Recht auf Krankenversicherung, gerechte Justiz für alle und vieles mehr«, forderte Jamila Prayapal auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Die Demokratische Abgeordnete im Repräsentantenhaus ist Anführerin der linken Parteivereinigung Progressive Caucus.
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Laut Auszählungsstand von Mittwochnachmittag entfielen auf Warnock 53 000 mehr Stimmen als auf die Republikanische Unternehmerin Kelly Loeffler. Mehrere Fernsehsender erklärten Warnock aufgrund seines Vorsprungs von 1,2 Prozentpunkten zum Sieger. Ossoff lag vor Redaktionsschluss nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmen mit rund 16 000 Stimmen beziehungsweise rund 0,4 Prozentpunkten vorne. Mehrere Wahlexperten erklärten ihn aufgrund von Projektionen zu den ausstehenden Stimmen zum Sieger, bedeutende Fernsehsender aber noch nicht.
Das Ergebnis von Georgia ist ein Hinweis darauf, dass die Demokraten im November noch höher hätten gewinnen können, wenn sie statt dem biederen Biden - der den Staat mit rund 11 000 Stimmen Vorsprung gewann - einen wirklich begeisternden Politiker aufgestellt und offensiv Versprechungen gemacht hätten - und zwar sowohl sozialpolitischer als auch gesellschaftspolitischer Art. Sozialismus-Attacken der Republikaner gab es auch dieses Mal, vor allem gegen Warnock, den die Republikaner mit einzelnen und aus dem Kontext gerissenen Fetzen seiner zahlreichen Predigten als verrückten Radikalen darstellten. Doch sie wirkten nicht. Denn die Demokraten machten selber ein attraktives Angebot, verbanden klare Bekenntnisse zu antirassistischer Politik und Polizeireform, Marihuana-Legalisierung, der Unterstützung für einen 15-Dollar-Mindestlohn und Sozialpopulismus miteinander: Ossoff und Warnock konnten gerade in den letzten Wahlkampftagen mit 2000 Dollar-Coronakrisen-Direktgeldzahlungen durch die REgierung punkten, mit konkreter Hilfe und somit etwas, was der großen Mehrheit der Bevölkerung direkt hilft. Selbst Joe Biden sprang, wenn auch etwas spät, auf diesen Zug auf und unterstützt jetzt die »2000-Dollar-Schecks«. Eine Last-Minute-Wahlkampfkundgebung von Donald Trump im ländlichen Nordwest-Georgia hatte dagegen nicht den gewünschten Effekt, motivierte wie auch anderswo in Georgia nicht genug Republikaner-Wähler an die Urnen zu gehen.
Der Erfolg von Warnock und Ossoff ist ein Sieg für Stacy Abrams. Die ehemalige Fraktionsführerin der Demokraten im Staatsparlament von Georgia hatte jahrelang systematisch neue Wähler registrieren lassen und war politisch und juristisch gegen Versuche der Republikaner, Wählerstimmen zu unterdrücken, zu Felde gezogen. 2018 bei der Gouverneurswahl scheiterte Abrams als Kandidatin noch knapp, führte ihre Arbeit anschließend fort. Anders als im November, als Joe Biden in vielen Landesteilen weniger Latino-Stimmen als erhofft erreichte, schafften es die Teams von Warnock und Ossoff beziehungsweise unabhängige Basisorganisationen auch marginalisierte Latino- und bisherige Nichtwähler zu mobilisieren. Gleiches gilt für asiatischstämmige US-Amerikaner. Beide Gruppen wachsen schnell, auch wenn sie in Georgia immer noch winzig sind. Im neuen Swing State waren neben der im Vergleich zum November gestiegenen Schwarzen Wahlbeteiligung wohl auch sie entscheidend.
Vor fast genau vier Jahren hatte Ossoff seine Kandidatur für einen Sitz im Repräsentantenhaus verkündet und war nur knapp gescheitert. Seine Kampagne war damals der erste große Stimmungstest für die Anti-Trump-Wut im Land. Mit seinem Wahlsieg kehren die Demokraten quasi erfolgreich zum Beginn der Trump-Präsidentschaft zurück. Symbolisch ist auch die Kandidatur von Raphael Warnock, Pastor jener Kirche, in der einst Martin Luther King predigte. Der hat mal gesagt: »Der moralische Bogen des Universums ist lang, aber am Ende biegt er sich in Richtung Gerechtigkeit.«
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