Her mit dem Schrott!

Landeseigene Degewo übernimmt Problemimmobilien von Deutsche Wohnen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Man sieht es dem Wohnblock an der Dominicusstraße gegenüber dem S-Bahnhof Schöneberg schon von außen an: Hier muss dringend etwas gemacht werden. Das ist nun Aufgabe der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Degewo, die die Schöneberger Terrassen zum 1. Januar von der Deutsche Wohnen übernommen hat. Für die Anlage mit 578 Wohnungen gibt es auch schon ein umfassendes Sanierungskonzept, wie die Degewo am Freitag mitteilte. 2022 sollen die Arbeiten an der Wohnanlage beginnen, die von 1976 bis 1979 als sozialer Wohnungsbau errichtet worden ist und seit 2017 unter Denkmalschutz steht. Die Mieter sollen »frühzeitig und kontinuierlich über die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen und über Möglichkeiten der Beteiligung« informiert werden, verspricht das Landesunternehmen.

Der Kauf von der Deutsche Wohnen war Teil eines bereits Ende 2019 ausgehandelten Vertrags über Bestände auch in Spandau und Lichterfelde, bei dem es insgesamt um über 2100 Einheiten ging. Der Eigentumsübergang ist nun erfolgt. »Degewo erfüllt damit den Auftrag des Landes Berlin, die Zahl der kommunalen Wohnungen zu erhöhen. Das ist gut für die Mieter und gut für Berlin, denn es sichert langfristig faire Mieten«, sagt deren Vorstand Christoph Beck.

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»Das Konzept, über Ankäufe preiswerte Wohnungen dauerhaft zu sichern, finde ich richtig«, sagt die Linke-Mietenpolitikerin Gaby Gottwald zu »nd«. Auch die Grünen-Mietenexpertin Katrin Schmidberger begrüßt die »Kommunalisierung vor allem des sozialen Wohnungsbaus«. Bei Auslaufen der Bindungen steigen Mieten oft enorm. Die oftmals unterlassene Instandhaltung wird durch auf die Mieten umgelegte teure Sanierungen nachgeholt.

»Der Ankauf von Wohnraum ist ein wichtiger Baustein, um Verdrängung zu verhindern. Politisch interessant ist aber in diesem Fall der Kaufpreis der Deutsche Wohnen und die Frage, ob bei den Schöneberger Terrassen die durch die Degewo wohl umfassende, geplante Sanierung dabei mit eingeflossen ist«, sagt Schmidberger zu »nd«. Auch werde man den Verdacht nicht los, dass die Deutsche Wohnen schon lange solche Bestände abstoßen wollte, weil sie aus ihrer Sicht zu wenig Rendite abwerfen, erklärt die Abgeordnete.

»Die Deutsche Wohnen stößt solche Bestände ab, weil sie durch den Mietendeckel unrentabel geworden sind«, sagt Horst Arenz von der Initiative Mietenvolksentscheid zu »nd«. Der Verkauf wurde zu einer Zeit besiegelt, als bereits absehbar war, dass das Gesetz zur Mietenbegrenzung kommen wird. »Wir beobachten schon länger, dass die Deutsche Wohnen Schrottwohnungen loswerden will«, so Arenz weiter. Grundsätzlich sei der bessere Mieterschutz durch den Ankauf zu begrüßen, »aber mit dem Enteignungsvolksbegehren wäre das billiger zu haben gewesen«, erklärt der Aktivist.

Die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen strebt parallel zur Abgeordnetenhaus- und Bundestagswahl im Herbst einen Volksentscheid an. Ziel ist die Sozialisierung der 3000 Wohnungen übersteigenden Berliner Bestände renditeorientierter Vermieter. Die Deutsche Wohnen, mit rund 110 000 Wohnungen die größte Vermieterin der Hauptstadt, würde so über zwei Drittel ihres Gesamtbestands verlieren. Diesen Montagabend kommen Vertreter des Volksbegehrens und der rot-rot-grünen Fraktionen zu einem wohl letzten Gespräch zusammen, ob die Koalition die Forderung übernimmt. Parallel laufen die Vorbereitungen für die Sammlung der 170 000 nötigen gültigen Unterstützerunterschriften, die im Februar beginnen soll.

Derweil vermeldet die Degewo noch einen weiteren Deal mit dem Konzern Deutsche Wohnen. An der Lehrter Straße 39 bis 40a übernimmt sie Häuser mit weiteren 41 geförderten Wohnungen. Der Kaufvertrag wurde vor Weihnachten geschlossen. Bereits Anfang 2019 hatte die Degewo mehrere Wohnhäuser in diesem Quartier erworben. »Unser Wohnungsbestand in der Lehrter Straße ist in den letzten Jahren durch verschiedene Ankäufe erheblich gewachsen«, erklärt Degewo-Vorstand Beck. »Im Hinblick auf die Bewirtschaftung dieser Immobilien sind Zukäufe wie der nun erfolgte wirtschaftlich sinnvoll.« Kaufpreise will das Landesunternehmen auf Anfrage nicht nennen.

Der bisher größte Rekommunalisierungsdeal war 2019 der Rückkauf von fast 6000 Sozialwohnungen in Reinickendorf und Spandau durch die landeseigene Gewobag. 920 Millionen Euro sind dafür an den Verkäufer Ado Properties geflossen - nach Expertenschätzungen das Doppelte des einstigen Kaufpreises.

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