Magischer Moment Generalstreik

Abpacker im spanischen Almería wehren sich gewerkschaftlich organisiert gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen

  • Boris Bojilov, Almeria
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Aufruf zum Streik ging an 25 000 Arbeiter*innen. Vor allem Migrant*innen sind in äußerst prekären Arbeitsverhältnissen in den Obst- und Gemüse-Abpackhallen in Almería tätig. Pro Tag verpacken sie in großen sterilen Hallen im Akkord 12 000 Kilo Obst und Gemüse. Die Arbeit ist monoton und schwer. »Viele, die über Jahre hinweg in der Branche tätig sind, leiden an chronischen Erkrankungen im Hals- und Wirbelsäulenbereich, einige von ihnen begleiten wir in ihrem langwierigen Kampf um Entschädigungen«, sagt der Sprecher der andalusischen Landarbeitergewerkschaft SAT, José Garcia Cuevas.

Die Arbeitsschichten gehen je nach Auftragslage von vier bis 16 Stunden. Fast niemand weiß vorab, wie die Wochen- oder Monatsarbeitszeiten aussehen und wie viel sie am Schluss verdienen werden. Ana (53), spanische Abpackhallenarbeiterin und UGT-Mitglied berichtet: »Die Zustände sind untragbar. Obwohl wir ganz Europa Tag täglich mit frischem Gemüse versorgen, haben wir kein Leben. Wir können nicht planen, wann wir unsere Familien sehen und wie wir unsere Freizeit gestalten wollen.« Nur jeder fünfte Beschäftigte verfügt über einen festen Arbeitsvertrag. Mindestens 80 Prozent aller Beschäftigten leben in permanenter Furcht, ihren Arbeitsplatz von heute auf morgen zu verlieren. Ana berichtet von regelmäßigen Schikanen am Arbeitsplatz. Toilettengänge werden kontrolliert. Vorarbeiter*innen brüllen und erniedrigen Angestellte.

Nach zweijährigen erfolglosen Tarifverhandlungen mit dem Unternehmerverband COEXPHAL entschlossen sich die Gewerkschaften UGT und CC.OO., die Beschäftigten des Sektors für den 23., 24., 26. und 28. Dezember zum Streik aufzurufen. Die Arbeitgeber offerierten maximal einen Inflationsausgleich. Zusätzlich sollen die Arbeiter*innen unbezahlte Überstunden leisten, begründet mit Personalausfall durch Covid-19-Infektionen. Die Abpackhallen-Arbeiterin Ana empfindet eben diese Forderung der Arbeitgeber als Frechheit: »Nicht nur, dass unsere Arbeitsbedingungen beschämend genug sind, jetzt sollen wir auch noch offiziell unbezahlte Überstunden leisten. Bei mir persönlich war das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.« Die im Gegenzug durch die Gewerkschaften aufgestellten Forderungen wurden abgelehnt: Lohnerhöhung von zwei Prozent pro Jahr, höhere Bezahlung von Überstunden, Festanstellung eines bestimmten Prozentsatzes der Belegschaft und Planbarkeit von Wochenarbeitszeiten.

Insgesamt beteiligten sich zwischen 2000 und 3000 Personen am Streik. Trotz massiver Einschüchterungsversuche seitens der Bosse konnte die Produktion an einigen Standorten gestört werden. Im Anschluss an den ersten Generalstreik des Obst- und Gemüsesektors in Almería ziehen Vertreter*innen aller Gewerkschaften ein positives Fazit. »Der Streik war ein magischer Moment, das Zusammenkommen mit meinen sonst schüchternen und verängstigten Kollegen war ermutigend, es war mein erster Streik nach 15 Jahren Arbeit in der Abpackhalle«, so fasst Ana von der UGT ihre Streikerfahrung zusammen. Mit Blick auf die Zukunft sagt Ana: »Wir sind den Unternehmen egal, auch der alte Tarifvertrag wurde nicht eingehalten. Es wird getrickst und gelogen, wo es nur geht. Uns bleibt nichts anderes übrig, wir müssen weiter kämpfen.«

»Es müsste in den Abnehmerländern unserer Produkte einen viel größeren öffentlichen Aufschrei geben«, so José Gracia Cuevas von der SAT. Seit Jahren kritisieren Gewerkschaften, NGO und Journalist*innen die Arbeitsbedingungen in der südeuropäischen Landwirtschaft. »Konsumenten, die mächtigen Supermärkte und auch Zertifizierungsunternehmen wie Global Gap, Naturland, Demeter und Co. übernehmen keine Verantwortung für die Zustände am anderen Ende der Lieferkette«, kritisiert Cuevas. Zusammen mit Organisationen wie dem Verein Interbrigadas aus Berlin, dem Critical Cosumer Magazin aus Großbritannien und dem Europäischen BürgerInnen Forum aus der Schweiz versucht die SAT, Supermärkte und Zertifizierer unter Druck zu setzten - bisher nur mit geringem Erfolg. So heißt es weiter, nach dem Generalstreik ist vor dem Generalstreik.

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