Zehn Abschiebe-Transporter ausgebrannt

Unbekannte zündeten Autos der niedersächsischen Flüchtlingsbehörde an – Polizei mutmaßt: Das waren Linksextremisten

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Zu zwei Anschlägen auf Dienststellen, die wesentlich über die Zukunft von Flüchtlingen entscheiden, ist ein Bekennerschreiben auf der Internetpräsenz »Indymedia« veröffentlicht worden. Anonym sind die oder der Absender, unterzeichnet ist das Schreiben nicht, weder von einer Organisation oder Gruppe noch mit Namen linker Aktivisten. Doch allein die Tatsache, dass der Text auf einer linken Plattform verbreitet wurde, reicht den Sicherheitsbehörden offenbar aus, die Verursacher der Brände einzuordnen.

»Sicher gehen wir im Moment davon aus, dass die Täter aus der linksextremistischen Szene stammen.« Das äußerte Landespolizeipräsident Axel Brockmann im NDR-Fernsehen. Ob es außer dem Bekennerschreiben weitere Hinweise »in Richtung links« gibt, sagte der Beamte nicht.

Unbekannte hatten in der Nacht zu Samstag zehn Autos auf dem Gelände der Landesaufnahmebehörde (LAB) in Braunschweig in Brand gesetzt. Braunschweig ist Niedersachsens zweitgrößte Stadt, knapp 70 Kilometer südöstlich von Hannover gelegen. Die Fahrzeuge brannten völlig aus, der Schaden wird seitens des Innenministeriums auf eine halbe Million Euro geschätzt. Menschen wurden nicht verletzt. Im Verlauf der Ermittlungen zu dem Vorfall wurden in Langenhagen bei Hannover Brandsätze an der dortigen Niederlassung der LAB entdeckt, die aber nicht zündeten.

Die Unbekannten, die sich zu beiden Anschlägen bekannten, begründeten ihr Tun: Einsatzzweck der angezündeten Transporter sei es, Schutz suchende Menschen gegen ihren Willen aus ihren Wohnungen und »Lagern« direkt zu Abschiebeflügen oder in den Abschiebeknast zu bringen. Und die Aktion bei Hannover richte sich gegen den Aufbau einer zentralen Abschiebebehörde (ZAB) dort. Ziel dieser Institution sei es, Abschiebungen schneller und konsequenter durchzuführen.

Die bereits Anfang des Jahres 2019 von der SPD/CDU-Landesregierung geplante ZAB, offiziell wird sie »Zentrale Ausländerbehörde« genannt, ist umstritten. Wenn ihre Kompetenzen derzeit aufgrund breiter Kritik auch noch beschränkt sind, so könnte sie doch, sofern die ursprünglichen Pläne verwirklicht werden, nach ihrem Ausbau den örtlichen Ausländerbehörden die Zuständigkeit für den Umgang mit abgelehnten Flüchtlingen entziehen und künftig selbst entscheiden, welche Menschen geduldet und welche abgeschoben werden.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen lehnt solche Pläne ab und gibt zu bedenken: »Schon heute kommt es aufgrund des künstlich entfachten und sachlich nicht begründeten politischen Drucks immer wieder zu haarsträubenden Szenen, wenn Menschen nachts ohne Ankündigung zur Abschiebung abgeholt werden, obwohl schwere Krankheiten attestiert wurden und Gerichtsverfahren anhängig sind.« Dass sich so etwas mit der Zentralisierung und dem Ausbau der ZAB verschlimmere, befürchten auch Wohlfahrtsverbände.

Schlimme Befürchtungen haben indes die Brandanschläge bei Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) ausgelöst. Er wittert Terror, konstatiert – wie sein Landespolizeichef – dass aufgrund des Bekennerschreibens auf einer »linksextremistischen Internetseite« von einem »linksextremistischen Täterhintergrund« ausgegangen werden könne. Der Minister wörtlich: »Wir stellen in Niedersachsen eine starke Radikalisierung der Szene fest, die sich zu einer terroristischen Struktur entwickelt.«

Mit dieser Äußerung hat Pistorius offensichtlich seinem Amtsvorgänger, dem als Hardliner in puncto Flüchtlingspolitik bekannten CDU-Landtagsabgeordneten Uwe Schünemann, eine wohl willkommene Steilvorlage für die Forderung geliefert: Das Land möge stärkere Anstrengungen im Kampf gegen den Linksextremismus unternehmen. Dieser dürfe in seiner Gefährlichkeit nicht unterschätzt werden, warnte Schünemann, der sowohl 2007 als auch 2009 von der Organisation »Jugendliche ohne Grenzen« zu Deutschlands »Abschiebeminister des Jahres« gewählt worden war.

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