Das Privileg der Alleinverdienerehe

Das Ehegattensplitting geht an der Familienrealität in Deutschland vorbei. Trotzdem hält es sich

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 3 Min.

Alleinverdienende mit Ehepartner*in und zwei Kindern werden in Deutschland geringer besteuert, als verwitwete oder nicht verheiratete Alleinverdienende mit zwei Kindern. Grund ist das Ehegattensplitting. Das sächsische Finanzgericht hat diese Ungleichbehandlung Ende Dezember 2020 bestätigt, die Klage des Leipziger Steuerberaters Heiko Haupt wegen Begünstigungsausschlusses aber abgewiesen. Begründet wird das einerseits damit, dass aus dem Splitting eine Haftung des einen Ehepartners für die Steuern des anderen einhergehe. Zweitens damit, dass eine Ehepartnerschaft sich von Familien unterscheide, die aus Alleinerziehenden und ihren Kindern bestehen, und daher rechtlich nicht gleich behandelt werden müsse. Ähnlich argumentierte schon das Bundesverfassungsgericht 1982.

Haupts Prozessvertreterin Reina Becker, die seit 2008 immer wieder dafür vor Gericht geht, dass auch Alleinerziehende von dem Splittingvorteil profitieren, sagt dazu gegenüber »nd«: »Als Betroffene ist das ein Schlag in die Magengrube. Man befindet sich als Alleinerziehende in einer sowieso schon ungleich schlechteren Situation und wird obendrein steuerlich schlechter behandelt.«

Beim Ehegattensplitting wird das Einkommen aufgeteilt und so getan, als ob beide Ehepartner*innen gleich viel verdienten. Der höher verdienende Partner überträgt Einkommen an den niedriger verdienenden. Dadurch verringert sich die Progression, der Anstieg des Steueraufkommens. Am stärksten entlastet werden so Ehen, in denen lediglich ein Partner (meistens der Mann) einen Spitzenverdienst erzielt. Becker nennt es daher auch eine »großzügige Subvention für Großverdiener mit traditionellem Rollenverständnis«. Auch die Grenze des Spitzensteuersatzes wird für Ehepaare verdoppelt. »Verdient zum Beispiel ein Partner 110 000 Euro und der andere 480 000, zahlt das Paar 6600 Euro weniger Steuern«, erklärt Becker. »Das ist ein gigantischer zusätzlicher Splittingvorteil, über den nie gesprochen wird,« so die Steuerberaterin. Verdienen zwei Ehepartner gleich viel, ergibt sich indessen kein Steuervorteil.

Das Ehegattensplitting ist ein Relikt der Bundesrepublik der 50er Jahre. In der DDR gab es kein Ehegattensplitting; bis heute fließen nur zehn Prozent des Splittingvolumens nach Ostdeutschland. Kaum verwunderlich, denn das Splitting fördert das westdeutsche Hausfrauenmodell, in der eine Person nur »hinzuverdient«. Die negativen Auswirkungen auf die Familienförderung fasste eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie schon vor mehr als zehn Jahren zusammen. »Die meisten Länder haben in den 70 und 80er Jahre das Splitting abgeschafft oder reformiert, Deutschland hat damals den Anschluss verpasst«, sagt Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einem Video des Instituts.

Warum wird trotz besseren Wissens am Steuerprivileg der Ehe nichts verändert? Die Juristin Maria Wersig, Präsidentin des Deutschen Juristinnenbunds und Autorin des Buchs »Der lange Schatten der Hausfrauenehe« sieht das ideologisch und machtpolitisch begründet. »In Schweden war ein gesellschaftlicher Konsens über die gesellschaftliche Gleichstellung von Frauen die Voraussetzung für eine Reform,« so Wersig gegenüber »nd«. In Deutschland sei man noch nicht so weit. Viele Konservative finden das Splitting gut.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat sich im Oktober 2020 in einem Gastbeitrag in der »Wirtschaftswoche« für eine Abschaffung des Ehegattensplittings mit Bestandsschutz ausgesprochen. Das DIW hat zuletzt mehrere Modelle verglichen und vorgeschlagen, das Ehegattensplitting durch ein Realsplitting mit einem Übertragungsbetrag von maximal 9696 Euro zu ersetzen. Damit werde nur Einkommen in Höhe des Grundfreibetrags von besserverdienenden auf geringer verdienende Partner*innen übertragen. Das DIW erwartet davon auch eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen.

Eine solche Regelung würde auch Reina Becker begrüßen. Sie hofft, dass durch die Auswirkungen der Coronapandemie am Splitting gerüttelt werden könnte. »Würde man das Ehegattensplitting auch nur auf die Hälfte begrenzen, könnte der Staat jährlich zehn Milliarden mehr einnehmen - überwiegend von gut Verdienenden«, rechnet die Steuerexpertin nach.

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