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Tragödie in Manaus
Den Krankenhäusern in der Amazonas-Metropole Manaus ist der Sauerstoff ausgegangen
Die brasilianische Journalistin Natuza Nery war live im größten Fernsehsender des Landes zugeschaltet, als sie von ihren Gefühlen überwältigt wurde. Der Grund: Die nordbrasilianische Regenwaldmetropole Manaus ist zum Schauplatz einer der dramatischsten Episoden der Corona-Pandemie geworden.
Am vergangenen Donnerstag meldeten die dortigen Krankenhäuser, dass ihnen der Sauerstoff ausgegangen sei. Krankenpfleger mussten Patienten manuell beatmen, in sozialen Medien gingen Videos von Menschen viral, die privat angeschaffte Sauerstoffflaschen für ihre infizierten Verwandten in Krankenhäuser tragen.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Mehr als 200 000 Menschen sind in Brasilien bisher an Covid-19 gestorben - das ist die zweithöchste Zahl nach den USA. Manaus war bereits zu Beginn der Pandemie schwer von der Gesundheitskrise betroffen, nun ist sie mit ist voller Wucht zurückgekehrt: Allein in den ersten zwölf Tagen des neuen Jahres waren mehr als 2000 Neuerkrankte in die Krankenhäuser eingeliefert worden. Hunderte stehen auf Wartelisten für Intensivbetten und viele Menschen ersticken Zuhause, ohne überhaupt einen Arzt gesehen zu haben. Verzweifelte Pflegekräfte berichten, dass sie Kranken Morphin spritzen, um wenigstens die Schmerzen zu lindern. Die örtlichen Beerdigungsinstitute kommen nicht mehr mit den Bestattungen hinterher.
Der rapide Anstieg der Neuinfektionen könnte auf eine Virusmutation zurückzuführen sein, die jüngst im Bundesstaat Amazonas entdeckt wurde. Doch auch die laxen Isolationsmaßnahmen und die Nachlässigkeit der Bevölkerung werden als Grund genannt. So fanden Partys mit Tausenden Gästen statt, Menschen gingen ohne Maske auf die Straße, die Geschäfte und Bars waren voll. Viele Weihnachts- und Neujahrsfeste fanden ohne Einschränkungen statt.
Gouverneur Wilson Lima ordnete jetzt eine Ausgangssperre zwischen 19 und 6 Uhr an. Covid-Kranke wurden in andere Bundesstaaten ausgeflogen, ebenso 61 Frühgeborene aus den örtlichen Krankenhäusern. Die abgelegene Lage von Manaus hat wahrscheinlich zum Engpass bei Sauerstoff beigetragen. Ausgerechnet der Nachbar- und Krisenstaat Venezuela hilft nun aus. Und im Internet sammeln Prominente Spenden, um Sauerstoffflaschen nach Manaus schicken zu können.
Erst Ende Dezember hatte der rechte Gouverneur Lima ein Dekret für einen erneuten Lockdown zurückgenommen. Politiker aus der Bolsonaro-Ecke wie Präsidentensohn Eduardo feierten ihn dafür. Die Bundesregierung schickte noch am Freitag mit Militärflugzeugen Sauerstoff - die Menge deckte laut Medienberichten gerade einmal elf Prozent des Tagesbedarfs in Manaus ab.
»Wir haben unseren Teil gemacht«, verteidigte sich Staatschef Jair Bolsonaro, der die Verantwortung für das Chaos auf die lokalen Behörden schiebt. Dabei war die Regierung schon eine Woche zuvor vor dem Kollaps gewarnt worden. Statt einen Notfallplan zu erstellen, empfahl Bolsonaros Gesundheitsminister Eduardo Pazuello den Krankenhäusern, ihren Patienten Hydroxychloroquin zu verabreichen - ein Malariamedikament, das in Studien keinerlei Wirksamkeit gegen Covid-19 zeigte. Kommentar Seite 8
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