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Pandemie verhindert Räumung
Baumbesetzung in Flensburg wird fortgesetzt
Die Uhr tickt für die nördlichste Baumbesetzungsaktion Deutschlands. Lediglich die SARS-CoV-2-Pandemie hat am Montag die polizeiliche Räumung in Flensburg verhindert. Die Umweltaktivisten harren nun schon seit Anfang Oktober im kleinen Bahnhofswäldchen aus, der für ein Hotel plus anhängigem Parkhaus weichen soll.
Am vergangenen Donnerstag hat die Stadt dem privaten Bauträger eine Baugenehmigung erteilt. Prompt hatte dieser den Aktivisten daraufhin bis zum 17. Januar ein Ultimatum gestellt, das Waldgelände zu verlassen. Nur die Befürchtung seitens der Polizei, dass bei einer Räumung sich zu große Menschenansammlungen in Flensburg einfinden, führt dazu, dass sich zunächst einmal an dem Besetzungsstatus nichts ändern wird. In der Stadt, die nahe an der Grenze zu Dänemark liegt, waren gerade erst mehrere Fälle der wohl leichter ansteckenden mutierten Coronavirus-Variante nachgewiesen worden.
Für ein Räumungsszenario, das zweifellos bereits seit längerem in der Schublade liegt, werden mehrere Polizeihundertschaften erforderlich sein. Diese Erfahrung kennt man noch aus der Räumung des selbst ernannten Kulturzentrums »Luftschlossfabrik« im Februar 2016. Die Polizei teilte den Öko-Aktivisten mittlerweile im persönlichen Gespräch mit, dass diesen Monat definitiv keine Räumungsmaßnahme mehr stattfinden werde.
Derweil sammeln die Besetzer weiterhin fleißig Solidaritätsgrüße von nah und fern. Auch juristisch sind noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Denn zu einem am 9. November 2020 eingelegten 17-seitigen Widerspruch des BUND gegen die Waldentwidmung am Bahnhof für einen neuen Bebauungsplan ist bisher noch keine Entscheidung gefallen. Die Umweltorganisation will daher auf alle Fälle verhindern, dass gegenüber dem betroffenen Waldstück vollendete Tatsachen geschaffen werden. Während die Stadt davon spricht, dass lediglich 58 Bäume dem Neubau weichen müssen und der Projektinvestor dies mit umfänglichen Neupflanzungen ausgleichen werde, wird nach Auffassung der Umweltschützer ein zusammenhängendes schützenswertes Biotop samt Quell- und Feuchtgebiet mit rund 200 jungen und zum Teil 140 Jahre alten Bäumen unwiederbringlich zerstört. Das Areal ist zu einem Rückzugsort für viele bedrohte Tierarten geworden, darunter Fledermaus-Populationen.
Die Bürgerinitiative Bahnhofsviertel Flensburg wirft der städtischen Verwaltungsspitze und der kommunalpolitischen Mehrheit in der Ratsversammlung komplettes stadtplanerisches Versagen vor. Dieser Bewertung schließt sich auch Linkspartei vor Ort an. So kommentierte die Kreisvorsitzende Katrine Hoop die Geschehnisse mit den Worten: »Mit Vollgas in die Klimakatastrophe. Kein Baum ist egal!« Die Bürgerinitiative kündigte unterdessen entschlossen an, ihre täglichen Mahnwachen unter Hygienemaßnahmen direkt am Wald unverändert fortzusetzen.
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