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Masken für lau
Transfergeldempfänger können sich Schutz auf medizinischem Niveau kostenlos über die Bezirke beschaffen
Der Senat hat am Mittwoch die nunmehr vierte Veränderung der »Infektionsschutzmaßnahmenverordnung« verabschiedet. Da kann man, so ist aus Senatskreisen zu hören, selbst in Regierungsverantwortung mal den Überblick verlieren, was inzwischen alles verboten ist. Man kann es aber auch andersherum betrachten. Auf Nachfrage, was noch möglich ist, heißt es: »Alles, was nicht geregelt ist, das ist erlaubt.« Zwar gilt in Berlin grundsätzlich die Vorgabe, sich in der eigenen Wohnung aufzuhalten – sofern man denn eine hat und nicht wohnungslos ist. Aber es gibt auch eine ganze Reihe »triftiger« Gründe, sich doch im öffentlichen Raum zu bewegen.
Bevor wir darauf kommen, welche neuen Einschränkungen und Regelungen ab kommendem Sonntag in Berlin gelten, soll an dieser Stelle aber auch mal dargelegt werden, was alles erlaubt ist: Berufe dürfen ausgeübt, ehrenamtlicher Tätigkeiten darf nachgegangen werden. Auch die individuelle Ausübung von Sport und die Bewegung im Freien sind gestattet. Genauso, wie Besorgungen zu erledigen und Tiere zu versorgen sowie den Kleingarten zu beackern.
Die Zahl der Ausnahmen ist also größer, als es das Primat, die eigene Wohnung nicht zu verlassen, vermuten lässt. Tatsächlich zeigen die Maßnahmen zuletzt in Berlin offenbar Wirkung: Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz ging laut Angaben des Corona-Lagebildes des Senats vom Donnerstagmorgen in der vergangenen Woche um 32 Prozent auf 136,6 Fälle pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche zurück. »Es ist nicht vergeblich, was wir tun«, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Mittwochabend nach der Senatssitzung im Roten Rathaus, bei der die Übernahme der Bund-Länder-Regelung der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vom Vortag beschlossen wurde. Vizesenatschefin Ramona Pop (Grüne) hob ebenfalls die »gute Nachricht« hervor: »Die Zahlen sinken nicht stark, aber stetig«, betonte sie.
Dass der Senat dennoch ab Sonntag eine verschärfte Maskenpflicht umsetzt, hängt mit dem Auftauchen der Mutation des Coronavirus zusammen, die aus Großbritannien nach Berlin gelangt ist. »Es gibt verstärkt Erkenntnisse über Virus-Mutationen, es ist zu sehen, dass das in Berlin angekommen ist«, erklärte der sichtlich besorgte Regierende Bürgermeister. Man müsse die neue Situation und die damit einher gehende Bedrohung sehr ernst nehmen. Es handele sich um entscheidende Maßnahmen, um die Situation unter Kontrolle zu halten, so Müller.
Kernelement der bis zum 14 . Februar verlängerten Infektionsschutzmaßnahmenverordnung ist die Verschärfung der Maskenpflicht. Demnach gilt ab Sonntag, dass beim Einkaufen, der Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs und in Gottesdiensten sogenannte medizinische Masken zu tragen sind. Dazu werden die sogenannte OP-Maske oder die virenfilternden Masken der Standards »KN95« oder »FFP2« gezählt.
Da befürchtet wird, dass diese neue Anordnung zu Preiswucher bei den angegebenen Gesichtsmasken führen könnte, stellt der rot-rot-grüne Senat wie beim Lockdown im Frühjahr in Aussicht, dass Empfängerinnen und Empfängern von staatlichen Transfergeldern Masken umsonst zur Verfügung gestellt werden. »Wir werden dafür sorgen, dass Menschen, die nicht über genügend Geld verfügen, solche Masken bekommen«, sagte Vizesenatschef Klaus Lederer (Linke). Als Verwaltung müsse man mit gutem Beispiel vorangehen. Die Ausgabe der medizinischen Masken soll erneut über die Bezirke organisiert werden. »Das ist eine Selbstverständlichkeit«, sagte auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller. Entsprechende Kontingente an Schutzmaterial würden dafür bereitgestellt.
Der Senat kündigte unterdessen schärfere Kontrollen an, um die Maßnahmen auch durchzusetzen. Allein im Öffentlichen Personennahverkehr sind aktuell 250 zusätzliche »Einsatzkräfte« unterwegs, um das Einhalten der Regeln zu überprüfen. Künftig sollen diese Kontrolleure auch schauen, ob die notwendigen medizinischen Masken getragen werden. Klar sei aber auch: »Die überwiegende Mehrheit achtet auf diese Vorgaben«, so Müller. Diejenigen, die sich nicht an die Vorgaben halten, dürften mit Bußgeldern rechnen – sofern das Ahndungssystem denn funktioniert.
Auch wenn sich der Senat nicht in allen Fragen einig ist, beim Thema Infektionsschutz zieht die Landesregierung am Ende an einem Strang, hieß es. Konsens ist es in der Mitte-links-Regierung inzwischen auch, dass es nicht mehr vermittelbar wäre, noch stärker in die privaten Bereiche reinzugehen, wenn nicht auch zugleich das Arbeitsleben eingeschränkt wird. Deshalb wird auch die Pflicht zum Homeoffice von Rot-Rot-Grün begrüßt. »Anders als im Frühjahr fahren viele ins Büro«, kritisierte Lederer. Man müsse weg von der Situation, dass Unternehmen Menschen »die Pistole auf die Brust« setzen, um sie zur Präsenz zu zwingen, so der Vizesenatschef.
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