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- »Zero Covid«
Niemals unpolitisch
Robert D. Meyer über Journalismus und Aktivismus
Seit über einem Jahr kämpft die Welt gegen das Covid-19-Virus. Selbst optimistisch geschätzt wird auch 2021 die Pandemie die globale Herausforderung bleiben. Angesichts von weltweit mehr als zwei Millionen Corona-Toten (über 50.000 in Deutschland) kann niemand so tun, als ginge ihn diese Gesundheits-, Sozial- und Wirtschaftskrise nichts an, als gäbe es eine neutrale Position, von der aus das Geschehen beobachtet werden könnte.
Inzwischen haben mehr als 78.000 Menschen eine Petition der Initiative »Zero Covid« unterschrieben, die im Kern fordert, Maßnahmen unter Einbeziehung aller gesellschaftlichen Bereiche zu ergreifen, um die Zahl an Neuinfektionen Richtung null zu drücken und gleichzeitig deutlich stärker als bisher gegen die sozialen Folgen der Pandemie vorzugehen. Unterstützt wird das Vorhaben auch von einigen Journalist*innen, darunter bekannten Personen wie Georg Restle (ARD).
Auch der Autor dieses Kommentars hat den Aufruf unterzeichnet. Es war klar, dass die Frage aufkommt, ob sich Journalist*innen mit politischen Initiativen gemein machen sollten, ob sie sich nicht angreifbar machen, weil ihre Berichterstattung dann nicht mehr »neutral«, »unabhängig«, »objektiv« sein könne. Diese Position ist nur stichhaltig, wenn sie auf dem Pauschalvorwurf beruht, Journalist*innen könnten nicht zwischen privatem Engagement und beruflichen Verpflichtungen trennen. Den Vorwurf zu Ende gedacht, dürften Medienmacher*innen nicht nur keine Petitionen unterschreiben, sie dürften auch privat nicht an Demonstrationen teilnehmen. Sollten Journalist*innen dann letztlich nicht auch auf ihr Wahlrecht verzichten? Immerhin ist die Stimmabgabe auch Ausdruck politischer Partizipation, allerdings im Geheimen und nicht öffentlich.
Genau das ist aber der Knackpunkt, den jene ignorieren, die Medienmacher*innen politisches Engagement per se verbieten wollen. Menschliches Handeln kann niemals unpolitisch sein; niemand ist frei davon, die Welt in Kategorien einzuteilen und sich Urteile zu bilden. Warum sollen Journalisten*innen, die privat eine Meinung haben, diese nicht mittels politischer Partizipation offen äußern, integer handeln, als Medienmacher*innen, die politische Initiativen unterstützen?
Entscheidend ist, ob sich ein Engagement auf die journalistische Arbeit auswirkt und wie damit konkret umgegangen wird. Dafür braucht es Verhaltensregeln, auf die sich Journalist*innen verständigen sollten. Erstens: Wer sich zu einem Thema politisch engagiert, sollte dieses nie zum Gegenstand seiner Berichterstattung machen. Zweitens: Journalist*innen sollten abwägen, wann es wert ist, ein politisches Projekt zu unterstützen. Drittens: Es braucht ein Transparenzregister, in das Journalist*innen ihr Engagement und ihre Mitgliedschaften freiwillig eintragen.
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