Macron wirbt für Entspannung
Frankreichs Präsident bringt Polizei und Bürgervereinigungen zur Diskussion über Gewalt zusammen
Die Initiative ging vom Präsidenten Emmanuel Macron persönlich aus. Im Innenministerium findet am heutigen Montag per Videokonferenzschaltung eine Beratung statt, die nach dem Platz, an dem die Behörde gelegen ist, »Beauvau-Treffen zur Sicherheit« genannt wird. Daran nehmen Vertreter der verschiedenen Kategorien der Ordnungskräfte und von Bürgervereinigungen sowie Parlamentsabgeordnete, Sicherheitsexperten und Vertreter der Polizeigewerkschaften teil. Emmanuel Macron sieht offensichtlich in der sich seit Monaten verschärfenden öffentlichen Auseinandersetzung um Willkür und Gewalt seitens der Polizei, die aber von deren Gewerkschaften geleugnet oder banalisiert wird, eine Gefahr für seine Wiederwahl bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr.
Das Beauvau-Treffen, dem bis Mai weitere folgen sollen, soll das Verhältnis zwischen den Bürgern und ihrer Polizei entschärfen und befrieden. Es soll eine Reform der Ordnungskräfte einleiten und mittelfristig in ein neues Programmgesetz zur Inneren Sicherheit münden, das die Texte von 2002 und 2011 ablöst. Das kündigte Macron bereits Mitte Dezember in seiner Antwort auf den Brief des zwar schon pensionierten, aber immer noch sehr geachteten Polizeigewerkschafters Yves Lefebvre an, der dem Präsidenten gegenüber das »Unbehagen« in den Reihen der Ordnungskräfte über ihre Darstellung in den Medien und in der öffentlichen Debatte sowie über die unzulänglichen Mittel für die Ausübung ihrer Missionen zum Ausdruck gebracht hatte. In seinem Antwortschreiben, das vom Elysée bewusst auch den Medien zugeleitet wurde, betonte Emmanuel Macron »die Hochachtung der Bürger dieses Landes für das Engagement und die Leistungen der Ordnungskräfte«, denen er »Unterstützung und Schutz« zusagte. In die Vorbereitung des Beauvau-Treffens wolle er sich persönlich einschalten, schrieb der Präsident, der andeutete, dass er möglicherweise dort auch selbst das Wort ergreifen wird. Für die beabsichtigte Polizeireform gab Macron sieben Schwerpunktthemen vor. So gelte es die Ausbildung der Polizisten zu verbessern, die mit ihren heute acht Monaten im europäischen Vergleich viel zu kurz ist. Der strukturelle Aufbau der Ordnungskräfte müsse effizienter gestaltet werden und sie müssen bessere materielle Bedingungen für die Lösung ihrer Aufgaben bekommen. Wie inzwischen bekannt wurde, sollen dafür, über mehrere Jahre verteilt, bis zu 1,5 Milliarden Euro bereitgestellt werden.
Das in den zurückliegenden Monaten im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf über »Globale Sicherheit« sehr kontrovers diskutierte Thema der Videoaufnahmen von Aktionen der Polizei müsse »von Grund auf neu angepackt« werden, erklärte Macron. Ebenso gelte es die Zuordnung und Mission der internen Inspektion der Polizei zu »überdenken«, die bei Konflikten und Klagen tätig wird. Hier fordern Experten eine von der Polizei unabhängige und somit nicht befangene Untersuchungsbehörde. Nicht zuletzt gehe es bei der Reform um geeignete Maßnahmen, um das Verhältnis zwischen Polizei und Bevölkerung wesentlich zu verbessern. »Frankreich darf sich nie mit Gewalt und Brutalität abfinden, woher sie auch kommt, und darf weder Hass noch Rassismus um sich greifen lassen. Wir brauchen eine Polizei, die sich vorbildlich verhält.« Damit distanzierte sich Macron deutlich von Innenminister Gérard Darmanin, der noch vor Monaten erklärt hatte, das Wort »Polizeigewalt« verschlage ihm vor Empörung die Sprache.
Als Präsident Emmanuel Macron unlängst in einem Interview erklärte, es sei »unerträglich«, dass Polizeikontrollen nach rassistischen Kriterien »eine Realität« seien und dass »ein farbiger Jugendlicher viel häufiger kontrolliert wird als ein weißer«, empörten sich die Polizeigewerkschaften, wiesen seine Worte zurück und forderten eine Entschuldigung des Präsidenten, um am Treffen teilzunehmen. Die kam nicht. Trotzdem werden die Gewerkschaften virtuell präsent sein, doch gute Voraussetzungen für einen erfolgreichen Verlauf und Ausgang des Treffens sind das nicht.
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