Von der EU im Stich gelassen
Tausende Geflüchtete leben in bosnischen Lagern unter unmenschlichen Bedingungen
Berlin. Für die Flüchtlinge, die am Rand der EU ausharren, wird die Lage immer schlimmer. Besonders dramatisch ist die Situation in Bosnien-Herzegowina. Dazu tragen die schlechten Lebensbedingungen im Winter bei. Schutzsuchende mussten hier bei minus 15 Grad im Freien schlafen. nd-Redakteur Fabian Hillebrand besucht in diesen Tagen die Region. Er hat sich unter anderem in dem Flüchtlingscamp Lipa in der Nähe der Stadt Bihać aufgehalten, das nach einem Brand neu aufgebaut werden musste. Allein im Nordwesten des Landes sind nach Angaben der bosnischen Polizei rund 3000 Menschen gestrandet.
Einer von ihnen heißt Sama Zaman Khan. Er ist aus Pakistan geflüchtet, vor den Taliban, vor dem »Islamischen Staat« und vor der alltäglichen Gewalt, berichtet er. Nun lebt Khan zusammengepfercht mit Menschen aus Afghanistan, Bangladesch und dem Iran an der Grenze zu Kroatien und hofft auf ein menschenwürdiges Leben in einem EU-Staat.
Auf die Bundesregierung kann er derzeit nicht hoffen. Innenminister Horst Seehofer will keine Geflüchteten aus den Lagern in Bosnien-Herzegowina aufnehmen. Das Land gehört nicht zur EU, deswegen meint der CSU-Politiker, mit den dortigen Problemen nichts zu tun zu haben. Die sogenannte Balkanroute soll für Schutzsuchende geschlossen bleiben.
Vor wenigen Tagen hatte ein Bündnis von rund 140 Organisationen die sofortige Evakuierung des Lagers in Lipa und die Aufnahme der Schutzsuchenden in der EU gefordert. »Die Bilder aus Lipa sind erschütternd«, heißt es in dem Aufruf, den unter anderem Pro Asyl, Seebrücke, Balkanbrücke und kirchliche Verbände unterzeichnet haben. Sie erinnerten daran, dass deutsche Kommunen und Bundesländer zur Aufnahme bereit stünden.
Die Organisationen prangerten auch das Verhalten der EU an. Diese habe mit systematischen Zurückweisungen (»Pushbacks«) die humanitäre Notlage erst geschaffen. Anstelle eines Asylverfahrens erwarte die Menschen in Kroatien eine gewalttätige Grenzpolizei, die sie mit brutalen Methoden zurück nach Bosnien-Herzegowina dränge.
Auch bosnische Politiker fordern eine Lösung des Problems. »Wir haben hier so viel Empathie für die Situation dieser Menschen. Aber wir können das doch nicht alleine tragen«, sagte Šuhret Fazlić, der Bürgermeister von Bihać, im Gespräch mit dem »nd«. »Wir müssen die Belastung der Migration gemeinsam unter uns aufteilen. Innerhalb Bosniens, aber auch mit den Nachbarländern.« nd
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