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Kriegsparteien sollen in Libyen Frieden schaffen

In Libyen stehen die Kandidaten für eine Übergangsregierung auf dem Weg zu Neuwahlen Ende 2021 fest

  • Mirco Keilberth, Tunis
  • Lesedauer: 4 Min.

In Genf wollen die Vertreter der libyschen Kriegsparteien diesen Montag mit der Wahl einer neuen Übergangsregierung und eines Präsidialrates den Krieg endgültig beenden. Die Namensliste der Kandidaten hatte Stephanie Williams, Leiterin der UN-Unterstützungsmission für Libyen (UNSMIL), bereits am 28. Januar auf einer Presskonferenz vorgestellt. Unter Leitung der Mission hatten unter anderem in Tunis und Kairo in den vergangenen Wochen mehrere Treffen von Vertretern der Politik und Zivilgesellschaft aus dem ganzen Land stattgefunden, die sich laut Williams nun auf »den bestmöglichen Kompromiss« geeinigt hätten.

Die während der am 5. Januar abgeschlossenen Treffen ausgewählten Kandidaten sollen das Bürgerkriegsland auf die für den 24. Dezember geplanten Neuwahlen vorbereiten. Bevor die dann gewählte Regierung ihre vierjährige Amtszeit antritt, soll zudem ein Referendum über eine neue Verfassung stattfinden. Sollte der Plan der UNSMIL-Diplomaten aufgehen, hätte Libyen dann erstmals seit 2011 wieder eine verfassungsmäßige Regierung.

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Zur Zeit konkurriert die international anerkannte Regierung von Premierminister Fajis Al-Sarradsch mit einer im ostlibyschen Tobruk tagenden Parallelregierung von Abdullah Al-Thani. Der mit Feldmarschall Khalifa Haftar verbündete Al-Thani trat allerdings nach blutigen Bürgerprotesten gegen die Lebensbedingungen in der Provinz Cyrenaika im Herbst zurück. Auch sein von internationalen Diplomaten hofierter Kontrahent Al-Sarradsch will sein Amt niederlegen. EU-Botschafter konnten den Geschäftsmann aus Tripolis überzeugen, mit diesem Schritt noch bis zur Wahl einer neuen Übergangsregierung zu warten. Dass beide Premierminister bereit sind, ihre lukrativen Arbeitsplätze zu räumen, hat nach Überzeugung libyscher Beobachter damit zu tun, dass die mit ihnen verbündeten Militärs Druck auf sie ausüben.

Am 23. Oktober hatten sich die ostlibysche Armee von Haftar und die westlibyschen Einheiten von Al-Sarradsch auf einen Waffenstilstand geeinigt und beendeten formal den seit April 2019 andauernden Krieg um die Hauptstadt. Durch das militärische Eingreifen der türkischen Armee mit Schiffen, Drohnen und der Entsendung von mehreren Tausend syrischen Söldnern an der Seite von Al-Sarradsch geriet Haftar in die Defensive. Der Feldmarschall kommandiert in Ostlibyen eine mit russischen und sudanesischen Söldnern verstärkte Armee, die von den Vereinigten Arabischen Emiraten mit Waffen und Geld versorgt wird. Zwischen Syriens Hauptstadt Damaskus und dem ostlibyschen Bengasi pendeln regelmäßig russische Transportmaschinen mit unbekannter Fracht. Als gesichert gilt wiederum, dass aus der Türkei regelmäßig Waffen per Schiff oder mit Frachtflugzeugen nach Tripolis zu Haftars Gegnern gelangen.

»Der aktuelle Friedensprozess erinnert stark an die Verhandlungen in Shkirat«, sagt der politische Analyst Tarek Mergisi. »In Genf sitzen teilweise diejenigen mit am Tisch, die eine politische Einigung zur Vorbereitung eines neuen Krieges genutzt haben.« Ende 2015 war Al-Sarradsch bei Friedensverhandlungen in dem marokkanischen Ferienort von internationalen Diplomaten zum Regierungschef bestimmt worden. Die US-amerikanische UNSMIL-Chefin Williams betont, dass die Wahl in Genf nun ein rein libyscher Prozess sei.

Williams leitet die UN-Mission nur übergangsweise. Im Februar wird der slowakische Diplomat und frühere Außenminister Jan Kubiš übernehmen und Williams auf den Vizeposten rücken. Der vorherige UNSMIL-Chef, der libanesische Diplomat Ghassan Salame, hatte den Job »aus gesundheitlichen Gründen« im vergangenen Herbst hingeworden.

Hinter den Kulissen klagte Salame oft ganz undiplomatisch wutentbrannt über den Bruch des Waffenembargos seitens der Türkei, der Emirate und anderer Staaten. Auf der Berliner Libyen-Konferenz im Januar 2020 hatten die internationalen Partner Bundeskanzlerin Angela Merkel als Gastgeberin noch in die Hand versprochen, das seit 2011 geltende Waffenembargo nun endlich einzuhalten. Tatsächlich passierte das Gegenteil.

Dass sich nicht nur die Türkei und Russland, sondern auch zwei Nato-Staaten an der Front im zentrallibyschen Sirte gegenüberstehen, lässt viele Libyer weiter am Erfolg der Genfer Gespräche zweifeln. Während Frankreich den Aufbau der Armee Haftars unterstützt, haben türkische Offiziere in Westlibyen mit Watyia nun einen der größten Militärflughäfen der Region unter ihre Kontrolle gebracht. Die nach Meinung von UN-Experten weiter laufenden Waffenlieferungen sind in Genf kein Thema.

Die 75 Teilnehmer der Konferenz wurden von den Vereinten Nationen nach Zugehörigkeit zu Stämmen und nach regionalen Aspekten ausgewählt. Aus 24 Kandidaten werden sie drei Vorsitzende des Präsidialrates wählen, der eine repräsentative Funktion für ganz Libyen innehaben wird. Unter den 21 Kandidaten für den Posten des Premierministers sind keine bekannten Namen. Denn wer in den Präsidialrat oder zum Premierminister der Übergangsregierung gewählt wird, darf im Dezember nicht bei den landesweiten Wahlen kandidieren.

Im Alltag von Tripolis und im 800 Kilometer weiter östlich gelegenen Bengasi ist die mögliche neue Regierung kaum Gesprächsthema. Die Preissteigerungen durch die Corona-Pandemie bewegen die Menschen weit mehr. Der Krieg seit 2019 hatte viele Familien bereits an den Rand des Ruins gebracht. Der libysche Journalist Mohamed Eljahr sieht im Vergleich zu den Ergebnissen früherer Verhandlungen in der Genfer Einigung gleichwohl einen gewissen Fortschritt: »Es gibt immerhin ein offenes und transparentes Wahlverfahren.« Offen bleibt, ob sich die dann gewählten Politiker gegen die Militärs durchsetzen können.

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