Neue Repression, alte Feindbilder

Das Nawalny-Urteil schürt bekannte Ressentiments, meint Uwe Sattler

Um es gleich am Anfang klarzustellen: Prozess und Urteil gegen Alexej Nawalny sind ebenso politisch motiviert wie das vorangegangene Attentat auf den sogenannten Kreml-Kritiker. In einem Staat, der sich selbst als Demokratie sieht, darf es so etwas nicht geben. Ebenso wenig wie das brutale Vorgehen gegen friedliche Proteste, die Einschränkung der Demonstrationsfreiheit oder die auf hanebüchenen Beschuldigungen gründende Haftstrafe gegen den Oppositionellen.

Mögen einige Vorwürfe gegen Wladimir Putin auch absurd erscheinen, mag Nawalny oftmals vor allem sein eigenes Süppchen kochen und selbst alles andere als ein lupenreiner Demokrat sein – siehe seine diskriminierenden Aussagen gegenüber nichtrussischen Menschen: Mit der amtlichen Verfolgung seines Intimfeindes hat der allmächtige Präsident die Reputation Russlands und seine persönliche weiter geschwächt, national wie international.

Das ist Wasser auf die Mühlen jener, die nicht nur Putin als Problem sehen, sondern das alte Bild vom Feind im Osten nicht aufgeben wollen. Für jene Europaabgeordneten, die Russland in einer Resolution als selbst verantwortlich für den Zweiten Weltkrieg sehen. Für EU-Regierungen, die aus westlicher Überlegenheitspose heraus verhängte Sanktionen gegen Moskau in schöner Regelmäßigkeit verlängern, bei Völker- und Grundrechtsverletzungen, wie z.B. im Ungarn eines Viktor Orbán, aber tatenlos bleiben. Für Nato-Strategen, die den militärischen Ring um Russland ihren früheren Bekundungen zum Trotz immer enger ziehen. Für Transatlantiker, die sich zu Erfüllungsgehilfen US-amerikanischer Wirtschaftsinteressen machen lassen. Für einen deutschen SPD-Außenminister, der die Ostpolitik Willy Brandts endgültig beerdigen will.

Nicht zuletzt darin liegt die Tragik des Falls Nawalny.

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