Abkehr vom Lenínismus

Der linke Andrés Arauz gilt bei den Wahlen in Ecuador als Favorit auf die Nachfolge von Lenín Moreno

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Name Rafael Correa ist wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen in Ecuador recht präsent. In den Umfragen und den Vorwahlberichten taucht der Name des Ex-Präsidenten (2007-2017, d. Red.), der 2017 von Quito nach Brüssel in das Heimatland seiner Frau auswanderte, immer wieder auf. Kein Zufall, denn er gilt als Vater des linksorientierten »Correísmo« und als Mentor von Andrés Arauz. Der 35-Jährige tritt für die Einheit für die Hoffnung (UNE) an und hatte unter Rafael Correa erste Posten in der Politik übernommen, war Direktor der Zentralbank, dann auch Minister. Dabei hat der junge, in Kanada ausgebildete Ökonom mit dem kecken Kinnbart einiges von Correa gelernt.

Arauz liegt in Umfragen deutlich vor Guillermo Lasso, seinem konservativen Konkurrenten aus Guayaquil. Lasso, ein 65-jähriger Finanzexperte, dem große Teile der Banco de Guayaquil gehören, tritt für CREO an, ein Kürzel, das für »Chancen schaffen« steht. Die Wahlbewegung hat ihre Zentrale in Guayaquil, der Industriemetropole und wichtigsten Hafenstadt des Landes. Die konkurriert traditionell mit der in der Hochebene gelegenen Hauptstadt Quito. Auch in der Politik schimmert dieser Konkurrenzkampf immer wieder durch. Quasi normal war es in den vergangenen Jahren, dass die führenden Kandidaten aus einer der beiden Landesmetropolen kommen und für diametral entgegengesetzte Konzepte stehen. Hier der konservative Banker, der für ein liberales Wirtschaftsprogramm steht und bereits 2017 kandidierte, dort der junge Politiker des Correísmo. Doch nach vier Jahren unter Lenín Moreno, einst Vizepräsident unter Rafael Correa, ist wenig geblieben von der »Bürgerrevolution« für den der »Correísmo« stand, da Moreno eine Kehrtwende hinlegte.

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So schloss er im März 2019 ein Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und führte neoliberale Parameter in Wirtschaft und Verwaltung ein, die unter Rafael Correa eliminiert worden waren. Morenos Ausrichtung firmiert in Ecuador auch als »Lenínismo«.
Der amtierende Präsident Moreno hat sich nicht nur vom politischem Erbe Correas gelöst, sondern sich mit seinem Vorgänger komplett zerstritten. Ermittlungen und Prozesse gegen Correa waren die Folge, die eine Rückkehr Rafael Correas in die Politik seines Landes verhindern sollten und bisher erfolgreich verhindern. Correa und seine Anhänger sprechen von politisch motivierten Verfahren.

Ecuador befindet sich seit zwei Jahren in einer permanenten politischen Krise. Die Corona-Pandemie kam noch erschwerend hinzu. Zwar liefen in Quito und Guayaquil die Impfungen inzwischen an, aber nicht ohne Skandal. Gesundheitsminister Juan Carlos Zevallos hat sich und seine Familie komplett durchimpfen lassen. »Nachrichten, die genauso wie jene über Korruption und Vetternschaft dafür sorgen, dass die Politik an Glaubwürdigkeit einbüßt«, so Carlos Mazabanda, ein Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisation Amazon Watch in Quito.

Die politische Krise schlägt sich auch in dem Umfragen nieder. Je nach Institut sind zwischen 30 und 60 Prozent der Befragten unentschieden, wem sie von den 16 Kandidaten, darunter eine einzige Frau, ihre Stimme geben sollen. Die Unentschiedenen werden den Ausschlag geben, ist sich Alberto Acosta, 72-jähriger Nachhaltigkeitstheoretiker und 2009 Leiter der Verfassunggebenden Versammlung, im Gespräch mit »nd« sicher. Zwar führt Andrés Arauz die Umfragen mit bis zu 37 Prozent der Stimmen an, gefolgt vom konservativen Guillermo Lasso mit bis zu 27 Prozent. Hinter den beiden rangiert mit bis zu 17 Prozent Yaku Pérez.

Der ehemalige Präfekt des Verwaltungsbezirks Azuay tritt für einen Politikwandel ein, für Nachhaltigkeit und Naturschutz. Er ist Kandidat der Partei Pachakutik, dem politischen Arm der indigenen Dachorganisation Conaie. Der 51-jährige Pérez hat sich regional für Referenden gegen den Bergbau in der Nähe von Wasserquellen engagiert. Parallel zu den Wahlen am Sonntag findet in Cuenca, der drittgrößten Stadt Ecuadors, ein Referendum über die Zukunft des Bergbaus statt, das die renommierte Extraktivismus-Kritikerin Maristella Svampa für das Bedeutendste bis dato einstuft.

Pérez sei ein Verfechter für mehr Initiativen gegen den Klimawandel und eine Alternative für junge Wählerschichten, so Acosta. »Auf der einen Seite ist relativ unstrittig, dass viele ältere Menschen in Ecuador aufgrund der Infektionsrisiken nicht wählen werden. Auf der anderen Seite sind Umweltschutz und Nachhaltigkeit bei der jüngeren Generation Themen, die eine größere Rolle spielen«, schildert Acosta.

Diese beiden Themen haben Lasso und Arauz nicht besetzt, denn beide setzen auf den Ausbau des Bergbaus, um Ecuador aus der Krise zu führen. Eine kleine Chance für Yaku Pérez. Doch glaubt man den Prognosen, wird Andrés Arauz entweder bereits im ersten Wahlgang Herausforderer Guillermo Lasso mit zehn Prozentpunkten Vorsprung schlagen oder in einer Stichwahl gegen Lasso gewinnen. Yaku Pérez haben längst nicht alle auf dem Zettel.

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