Werden Milliarden in die Luft geblasen?

Bund und Länder verhandeln mit der Airport-Lobby über Corona-Beihilfen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

»Bitte halten Sie den Sicherheitsabstand von 1,5 Metern im gesamten Terminal ein! Wir bedanken uns für ihre Mithilfe.« Wichtige Ansagen wie diese finden auf deutschen Flugplätzen derzeit kaum Gehör, denn: Es mangelt an Passagieren. Die Corona-Pandemie hat die Fluggastzahlen auf den niedrigsten Stand seit der Vereinigung gedrückt. Im vergangenen Jahr wurden bundesweit 63 Millionen Passagiere gezählt, 75 Prozent weniger als 2019.

Auch am größten deutschen Airport in Frankfurt am Main ist der Flugbetrieb stark eingeschränkt. Das Staatsunternehmen Fraport zählte im Dezember 0,89 Millionen Passagiere. Das sind knapp 82 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Rund 30 Abflüge pro Tag vom hauptstädtischen BER lassen auch keinen Aufschwung des Pannenairports erhoffen. Der Hamburger Flughafen hat sein Terminal 2 gänzlich geschlossen. Vor allem ausländische Arlines lassen ihre Landerechte verfallen, doch auch die deutschen Fluggesellschaften reduzieren ihr Angebot für Januar und Februar auf 16 Prozent des Üblichen.

Allerdings boomt der Luftfrachtverkehr. Am Flughafen Halle-Leipzig, der deutschen Nummer zwei beim Cargo-Verkehr, werden sogar Ausbaupläne diskutiert. Die Branche redet aber lieber über ihre Verluste im Passagiertransport. Für 2020 und 2021 sollen sich diese auf drei Milliarden Euro summieren. Man habe, so die Airport-Lobby, auch rund 740 Millionen Euro Vorhaltekosten aus dem ersten Lockdown zu verdauen, als die Politik eine Offenhaltung der Flughafen-Infrastruktur verlangte.

Die Vertreter der Airports hoffen, dass ihnen Staatshilfen als nicht-rückzahlbare Zuschüsse gewährt werden. Hauptargument: Der Rückgang des Luftverkehrs gefährde Existenzen. Das Bundesverkehrsministerium geht davon aus, dass in der deutschen Luftfahrtbranche 800 000 zum Großteil hoch qualifizierte Menschen arbeiten. Außerdem weist die Branche darauf hin, dass die neun Milliarden Euro, die der Lufthansa im vergangenen Jahr zugeschanzt wurden, kaum Auswirkung auf den Rest des Sektors hat.

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft sieht bundesweit 60 000 der rund 255 000 Jobs bei Airlines, Flugsicherung und an Flughäfen bedroht. Und darin sind die vielen an der Peripherie der Airports tätigen Unternehmen nicht erfasst.

Nach vielen öffentlich und in Lobbykreisen geführten Debatten kommt es am Mittwoch nun zu einem lang angekündigten Spitzengespräch. Vertreter des Verkehrs-, Finanz- und Wirtschaftsministeriums nehmen daran ebenso teil wie Vertreter aus interessierten Ländern. 14 von 16 Landesregierungen unterstützen bereits den Vorschlag von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), dass sich Bund und Länder zu gleichen Teilen an einer Finanzierung beteiligen sollen. Bereits geleistete Beihilfen würden dabei berücksichtigt.

Doch es ist nicht einfach, etwaige Zuwendungen sinnvoll zu verteilen. Beispiel München: Der dortige Flughafen bietet der Region rund 38 000 Arbeitsplätze und machte im vergangenen Jahr einen dreistelligen Millionenverlust. Der Bund und der Freistaat Bayern scheinen bereit, 100 Millionen Euro zu überweisen. Doch auch die Stadt München, mit 23 Prozent am zweitgrößten deutschen Flughafen beteiligt, soll anteilmäßig helfen. Will sie aber nicht. Jedenfalls so lange nicht, wie der Flughafen mit Eigenkapital und Krediten für sein Überleben selbst sorgen kann.

Umstritten ist auch, ob kleinere Flughäfen finanzielle Mittel erhalten sollen, da sie schon vor Corona defizitär arbeiteten. Jüngst meldete der Flughafen Friedrichshafen Insolvenz an, zuvor hatte der in Paderborn das Handtuch geworfen.

Grundsätzlich gilt: Eine Dauersubventionierung widerspricht EU-Recht. Nicht nur deshalb warnen Umweltschützer vor einer Verschwendung von Steuergeld. Laut einer Studie des BUND und des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft zu 14 Regionalflughäfen haben diese 2019 eine Klimalast von 4,2 Millionen Tonnen CO2 verursacht. Nur drei hätten überhaupt einen verkehrspolitischen Nutzen durch Anbindung ihrer Region an den internationalen Flugverkehr. Beim Rest handle es sich um Urlaubsflugbetreiber. Das ist aber derzeit überhaupt kein Geschäftsmodell. Klickt man auf die An- und Abflugtabellen des Flugplatzes Rostock-Laage, so liest man: »Aktuell liegen aus technischen Gründen keine Live-Flugdaten vor.« Logisch, weil außer einem Bundeswehr-Geschwader dort nichts fliegt.

Dass es eine Dauerkrise bei kleineren Airports gibt, räumt auch die Pilotenvereinigung Cockpit ein. Sie warnt aber: Die Corona-Folgen sollten nicht dazu genutzt werden, eine politische Agenda gegen den Luftverkehr durchzusetzen.

Die Interessengemeinschaft der regionalen Flugplätze hält auftragsgemäß gleichfalls dagegen: Wichtiger als Schließungsdebatten zu führen, sei es, die grundlegenden Fragen zu beantworten: Wie viel Mobilität braucht unsere Gesellschaft und was ist die Mobilität uns wert? Genau das wird der von Bundesverkehrsminister Scheuer einberufene Krisengipfel aber nicht leisten.

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