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Kurtis zweite Chance
Bei Parlamentswahl in Kosovo zeichnet sich Sieg des Ex-Premiers ab
Der Sieg ist ihm gewiss: Bei der am Sonntag in Kosovo angesetzten vorgezogenen Parlamentswahl wird den Umfragen zufolge die Partei Vetëvendosje (Selbstbestimmung, VV) des im März als Premierminister abgesetzten Albin Kurti mit großem Abstand gewinnen. Ihr werden zwischen 40 Prozent und knapp über die Hälfte der Stimmen vorausgesagt. Kurti hat in den vergangenen Tagen seine Anhänger bereits darauf eingeschworen, dass VV keinen Koalitionspartner benötigen werde, um zurück an die Regierung zu kommen. Bereits vor der Wahl war die Partei ein Bündnis mit Parlamentspräsidentin Vjosa Osmani eingegangen, die seit November kommissarisch als Präsidentin des Kosovo amtiert.
Vetëvendosje, deren Chef Kurti von einem Großalbanien träumt, hat erneut das Thema Korruption in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs gestellt. Zudem verspricht die Partei, Arbeitsplätze schaffen zu wollen und für Gerechtigkeit zu sorgen. Damit können vor allem junge Wähler und Wählerinnen mobilisiert werden, aber auch viele Ältere fühlen sich von den herrschenden Eliten betrogen, die sich vor den Augen der Öffentlichkeit bereichern, während der Großteil der Kosovaren in Armut lebt und sich mit schlecht bezahlten Jobs über Wasser halten muss. Mit diesem Versprechen gelang Kurti bereits bei der vergangenen Wahl 2019 ein beachtlicher Erfolg. Doch nach nur 51 Tagen scheiterte seine Koalitionsregierung mit der Demokratischen Liga (LDK) im März des vergangenen Jahres an einem Misstrauensvotum, das von den Vereinigten Staaten von Amerika forciert wurde, weil sich der VV-Vorsitzende offen gegen Maßgaben aus Washington gestellt hatte.
Doch Kurti ließ nicht locker und erzwang durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichts die vorgezogenen Neuwahlen. Die Richter urteilten im Dezember, dass die Wahl von Avdullah Hoti zum Premierminister im Juni 2020 nicht rechtmäßig war. Denn ein Abgeordneter, der für Hoti stimmte, hätte gar nicht im Parlament sitzen dürfen, weil er sein passives Wahlrecht aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Korruption verloren hatte.
Ob Kurti letztlich die Regierungsgeschäfte übernehmen darf, ist ungewiss. Denn auch er hat das passive Wahlrecht verwirkt: 2018 sprach ihn ein Gericht schuldig, weil er Tränengas in das Parlament geworfen hatte, um dessen Arbeit zu unmöglich zu machen.
Die Zentrale Wahlkommission kündigte in dieser Woche an, das Endergebnis nur mit den zugelassenen Kandidaten zu veröffentlichen; Kurti würde so außen vor bleiben. Gegen seine Streichung hat der VV-Chef bereits Rechtsmittel eingelegt, eine Entscheidung steht aber noch aus. Seine Anhänger sind zudem weiterhin dazu aufgerufen, für ihn abzustimmen, um ihm so die Legitimation zu geben, trotzdem zum Premierminister gewählt zu werden.
Insgesamt stehen knapp etwas mehr als 1000 Kandidaten auf 27 Listen zur Wahl um die 120 Mandate. Dabei können die Bürger ihre Stimme nicht nur einer Partei geben, sondern auch bis zu fünf derer Kandidaten. Die Fünf-Prozent-Hürde gilt nicht für die anerkannten Minderheiten, denen eine feste Anzahl an Sitzen zustehen, unter anderem zehn für die Serben im Kosovo. Als deren Vertreter dürfte sich erneut die von der Regierung in Belgrad unterstützte Serbische Liste (SL) durchsetzen.
Ob mit Kurti oder ohne ihn, die Wahl wird nicht zur Beilegung der jahrelangen politischen Krise im Kosovo führen, das de facto ein Protektorat des Westens ist, in dem die USA und die Europäische Union um Einfluss ringen. Der vorläufige Höhepunkt der Verwerfungen war der Rücktritt des damaligen Präsidenten Hashim Thaci im vergangenen November, nachdem bekannt geworden war, dass das Sondertribunal für den Kosovokrieg in Den Haag gegen ihn Anklage erhebt. Thaci gilt als treuer Gefolgsmann der USA - und als Pate der kosovarischen Mafia, die sich aus ehemaligen Kämpfern der Kosovo-Befreiungsarmee (UÇK) bildete. Seine Anklage kann als Retourkutsche der EU gewertet werden, nachdem Donald Trump den von Brüssel geleiteten Dialog zwischen Belgrad und Pristina torpediert hatte. Demgegenüber ist Kurti der Wunschkandidat der Europäischen Union. Noch kurz vor seiner Absetzung stellten sich Angela Merkel und Emmanuel Macron demonstrativ hinter ihn.
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