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Hilflos ausgeliefert
Malawische Wanderarbeiter brachten Coronavirus aus Südafrika
Die erste Welle des Coronavirus hatte Malawi noch relativ gut überstanden - ohne harten Lockdown. Die zweite Welle im südlichen Afrika überforderte im Januar das ohnehin völlig unterfinanzierte Gesundheitswesen der 19-Millionen-Einwohner-Nation am Malawisee. Hatten die Behörden des zwischen Sambia, Tansania und Mosambik gelegenen Binnenstaats im gesamten vergangenen Jahr noch lediglich 6583 nachgewiesene Infektionen mit dem Coronavirus registriert, so stieg diese Zahl seit Januar um nahezu das Dreifache. 21 467 neu nachgewiesene Infektionen bis zum 10. Februar überforderten die wenigen Krankenhäuser des Landes bei Weitem. 900 Todesfälle wurden bis dato im Zusammenhang mit dem Virus verzeichnet, noch Ende Dezember stand die Zahl bei 189.
Dabei wies Malawi zunächst einen durchaus bemerkenswerten Pandemieverlauf auf. Nachdem im April vergangenen Jahres die ersten Infektionen mit dem neuartigen Virus festgestellt worden waren, wollte der damalige Präsident Peter Mutharika zunächst einen strikten, dreiwöchigen Lockdown verhängen. Am 17. April, dem Vortag des geplanten Inkrafttretens, verhinderte der Oberste Gerichtshof die Maßnahme jedoch. Die Richter folgten damit einer Klage der Menschenrechtskommission Malawi Human Rights Defenders Coalition, die das Fehlen von Nothilfen zur Versorgung der Armen geißelte. Malawi, eines der ärmsten Länder der Welt, ist stark ländlich geprägt. Nahezu vier Fünftel der Menschen sind von der Landwirtschaft abhängig, laut Weltbank lebt gut die Hälfte der Einwohner unter der nationalen Armutsgrenze. Gar drei Viertel der Bevölkerung muss mit weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag auskommen.
Eine verheerende Coronawelle blieb im Winter der Südhalbkugel dennoch aus. Zwar wies auch Malawi von Juni bis August etwas höhere Fallzahlen auf, allerdings längst keine so große Welle wie die Regionalmacht Südafrika. Dort hatte die Regierung sehr früh nach Pandemiebeginn über fünf Wochen hinweg eine nahezu vollständige Ausgangssperre verhängt, die zu millionenfachen Arbeitsplatzverlusten, weit verbreitetem Hunger und in der Folge zu dichtem Gedränge vor den Essensausgabestellen von Hilfsorganisationen in Armenvierteln geführt hatte. Es ist ein bitterer Zynismus der Geschichte, dass vieles darauf hindeutet, dass Malawis jetzige verheerende Corona-Welle ausgerechnet mit der Virusvariante 501Y.V2 in Zusammenhang steht, die zuerst im Ostkap, einer der ärmsten und am schwersten von der Pandemie betroffenen Provinzen Südafrikas nachgewiesen wurde.
Südafrikanische Forscher weisen zwar zu Recht darauf hin, dass die in vielen Ländern der Welt geläufige Bezeichnung »südafrikanische Mutation« unwissenschaftlich bis rassistisch ist, zumal aufgrund vielerorts mangelhafter Genomsequenzierungen nicht eindeutig bewiesen ist, wo die Variante tatsächlich entstand. Nicht wenige Forscher in Südafrika sehen ihr Land inzwischen für das eigentlich vorbildliche Engagement beim transparenten Nachweisen des Pandemieverlaufs abgestraft. Dass ausgerechnet Staaten wie Deutschland, wo bisher kaum Genomsequenzierungsarbeit geleistet wurde, dann schnell Reiserestriktionen verhängten, passt da ins Bild. Erwiesen ist aber anhand von südafrikanischen Antikörper-Studien auch, dass in manchen Regionen des Landes bereits Durchseuchungsraten von über 50 Prozent erreicht wurden. Eine stärkere Verbreitung des Virus erhöht die Wahrscheinlichkeit von Mutationen. Mit Blick auf die Staaten im südlichen Afrika fällt auf, dass die Fallzahlen ab Dezember in genau den Ländern - Malawi, Simbabwe und Mosambik - rasant anstiegen, aus denen zahlreiche Wanderarbeiter stammen, die in Südafrika ihr Geld verdienen. Um den Jahreswechsel verbringen die meisten dieser Menschen ihren Urlaub bei ihren Familien in den jeweiligen Heimatländern.
Die nun noch stärkere Verbreitung des Virus in der Region erhöht letztlich auch die Gefahr weiterer Wellen mit immer neuen Mutanten. Zu durchbrechen wäre dieser Teufelskreis am ehesten mit Impfungen, doch von einer auch nur annähernd ausreichenden Versorgung mit Impfstoffen sind die Länder des südlichen Afrika noch weit entfernt. Simbabwes Präsident Emmerson Mnangagwa vermeldete eine erste Zusage für 200 000 Dosen des chinesischen Herstellers Sinopharm, die als Spende in das verarmte 14-Millionen-Einwohner-Land kommen sollen. Ansonsten ruhen die Hoffnungen in den Ländern der Region - mit Ausnahme des wirtschaftlich stärkeren Südafrikas - vor allem auf der Covax-Initiative, der es aber an Unterstützung aus dem Globalen Norden fehlt. Für Länder wie Malawi bedeutet dies auf absehbare Zeit völlige Hilflosigkeit, für die Welt ein weiterhin hohes Risiko von Mutationen - gegen die dann womöglich auch die im Norden des Globus gehorteten Impfstoffe nicht mehr helfen.
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