Ahnungsloser Geheimdienst

Militärnachrichtendienst wusste nichts von den Aktivitäten eines hessischen Neonazis, der jahrzehntelang auch Reservist war

Christian Wenzel aus Nordhessen ist bekennender Neonazi und als solcher ist nicht nur in seiner Region vernetzt. Im NSU-Untersuchungsausschuss des Wiesbadener Landtags ist er 2017 auf Antrag der Linken wegen seiner Verbindungen zu Protagonisten aus dem Umfeld des rechten Terrornetzwerks befragt worden. Außerdem ist er ein guter Bekannter des Mörders des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, Stephan Ernst.

Doch erst jetzt, nachdem bekannt wurde, dass Wenzel zur Kommunalwahl am 14. März im Kreis Kassel für die AfD kandidieren wollte - die ihn nach Berichten über seine Vorstrafen und seine rechtsradikalen Aktivitäten ausschloss -, wurde offenbar der für die Bundeswehr zuständige Militärische Abschirmdienst (MAD) auf den Mann aufmerksam. Der 43-Jährige war langjähriger Reservist, wie zuerst der Hessische Rundfunk berichtete. Demnach hat der Oberstabsgefreite der Reserve noch im Januar bei der Corona-Kontaktnachverfolgung im Gesundheitsamt Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern ausgeholfen. Aus Bundeswehrkreisen hieß es nun, Wenzel sei nach den Berichten über seine AfD-Kandidatur aus dem Dienst entfernt worden, weil er eine Gefahr für die militärische Ordnung und Sicherheit der Truppe darstelle.

Für Hermann Schaus, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Hessischen Landtag, offenbart der Fall ein »Totalversagen des MAD«. Wenzel war Anfang der 2000er Jahre Gründer der militanten »Kameradschaft Kassel« und hatte unter anderem engen Kontakt zum mittlerweile verbotenen rechtsradikalen Netzwerk »Blood and Honour«. Natürlich gebe es deshalb eine Akte zu seiner Person beim Landesamt für Verfassungsschutz (LfV), betont Schaus. Die Linke hat ihm ein eigenes Unterkapitel in ihrem Abschlussbericht zur Tätigkeit des hessischen NSU-Untersuchungsausschusses gewidmet.

Angesichts der aktuellen Berichte wollte Schaus am Donnerstagabend in der Sitzung des Innenausschusses des Parlaments von Landesinnenminister Peter Beuth (CDU) wissen, ob, wann und in welcher Art und Weise das LfV Erkenntnisse über Christian Wenzel an den MAD weitergegeben hat. Beuth habe aber eine Antwort verweigert, sagte Schaus am Freitag gegenüber »nd«. Der Minister habe auf die Zuständigkeit der Parlamentarischen Kontrollkommission verwiesen, die für die Nachrichtendienste zuständig ist. Die aber tage geheim, und er habe keinen Zugang zu dem Gremium, so Schaus. Für ihn ist es unabhängig davon ein Skandal, dass Reservisten vom MAD nicht ins Visier genommen werden, »obwohl sie regelmäßig Zugang zu Waffen haben«. Hier sei auch der Bundestag gefordert. Er müsse aufklären, wie es zu solchen Fehlleistungen kommen könne und wie künftig Abhilfe zu schaffen wäre. Der Fall Wenzel zeige einmal mehr, dass die Geheimdienste im Kampf gegen rechts »Teil des Problems sind«, sagte Schaus. Der Abgeordnete hat unterdessen die LfV-Akte von Wenzel für die Arbeit des Lübcke-Untersuchungsausschusses im Landtag angefordert und hofft, dort Hinweise darauf zu finden, ob das Landesamt den MAD über die Aktivitäten des Mannes informiert hat.

Ein Sprecher des MAD erklärte unterdessen gegenüber der »Frankfurter Rundschau« (Freitagausgabe), bei konkreten Hinweisen auf »extremistisches Verhalten« schalte man sich ein. Allerdings sei man für Reservisten nur zuständig, wenn sie aktuell Reservedienst ableisteten oder »ausnahmsweise in einem aktiven Dienstverhältnis« stünden.

Die Linke-Bundestagsabgeordnete Martina Renner sagte dem »nd«, der Reservistenverband falle »immer wieder durch extrem rechte Vorfälle auf«. Der Fall Wenzel zeige einmal mehr, »dass der MAD auch hier zur Aufklärung weder fähig noch willens ist«. Der Reservistenverband müsse parlamentarisch kontrolliert werden, fordert die stellvertretende Linke-Bundesvorsitzende.

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